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Enkel und Großvater Rollett

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Moritz von Schwind, Silhouetten aus Baden. Herausgegeben von Edwin Rollett. Druck und Verlag der Oesterreichischen Staatsdruckerei, Wien. 12 Seiten Text und 32 Tafeln. In Mappe. Preis 38 S

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Moritz von Schwind, Silhouetten aus Baden. Herausgegeben von Edwin Rollett. Druck und Verlag der Oesterreichischen Staatsdruckerei, Wien. 12 Seiten Text und 32 Tafeln. In Mappe. Preis 38 S

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Der Name Rollett hat in der alten Kurstadt Baden einen guten Klang. Mitglieder dieser seit dem Dreißigjährigen Kriege dort ansässigen Familie erwarben sich als Aerzte, Dichter und Sammler einen bedeutenden Ruf. Das Städtische Rollett- Museum und die unweit des Bahnhofs gelegene Rollettgasse erinnern noch heute an die Verdienste dieses Badener Patriziergeschlechtes, das in seinem Heim an der Löwenbrücke einen großen Kreis künstlerisch tätiger Menschen um sich scharte, wie die Dichter Eduard von Bauernfeld und Alexander Baumann, den Komponisten Josef Dessauer und den Maler Moritz von Schwind, die in Anton Rolletts jüngerem Sohne, dem Lyriker Hermann Rollett, einen Bruder in Apoll fanden.

Einem wahrscheinlich in den Sommer 1840 fallenden Besuche Schwinds im Hause Dr. Carl Rolletts verdankt eine Serie von 28 humorvollen Scherenschnitten ihre Entstehung, die soeben von einem Enkel des genannten Arztes, Hofrat Prof. Dr. Edwin Rollett in originalgetreuen Reproduktionen herausgegeben werden. Gestützt auf die nur ihm zugängliche Familientradition vermochte er als gegenwärtiger Besitzer der köstlichen Schattenbilder in einer gehaltvollen Einleitung nicht nur ihre Genesis und ihre Schicksale, sondern — mit Hilfe von Nachschnitten seiner Tante Berta — auch ihre Reihenfolge überzeugend nachzuweisen.

Demnach hätte Frau Josepha, die Gattin von Dr. Carl Rollett, eines Tages in ihrem Gartenhäuschen an der Schwechat den zu kurzem Aufenthalt aus Karlsruhe in Oesterreich eingetroffenen Maler Schwįnd empfangen, der sich alsbald einer Schere aus der Nähkassette Frau Josephas bemächtigte und damit aus den zum Ausbessern der Deckenverkleidung umherliegenden blauen Papierstreifen Silhouetten zu schneiden begann. Unwillig über die Vergeudung des schönen Papiers habe Frau Josepha zuerst dem Treiben des Malers Einhalt gebieten wollen, dann aber seine Arbeit mit Interesse verfolgt, als sich nach und nach vier Gruppen mit je sieben Figuren ergaben. Der ganze Zug wurde nachher als Fries an den Innenwänden des viereckigen Pavillons angebracht und erst 1868 entfernt, als das Häuschen abgerissen wurde. Frau

Josephas älteste Tochter Berta rettete die Schwind- schen Schattenbilder und überlieferte in eigenhändig angefertigten Kopien, die 1927 in den Besitz Hofrat Rolletts gelangten, ihre Anordnung.

Zweifellos enthält der Zyklus neben der Darstellung bestimmter Typen auch mehr oder minder karikierte Porträts damals bekannter Persönlichkeiten, deren Identifizierung jetzt nur noch teilweise möglich ist. In der ersten Gruppe sehen wir die anmutige Hausfrau, gefolgt von Kinderfrau und Diener, auf einer Landpartie, in der zweiten wird die Gesellschaft im Badener Kurpark geschildert, wobei (in Tafel 10) der gefürchtete Kritiker Moritz Gottlieb Saphir nicht eben sehr schmeichelhaft behandelt ist. Die dritte Gruppe zeigt die den Schwefelbädern zuwandernden brest- haften Städter und Bauern, denen der Arzt mit einer riesigen Klistierspritze das Geleite gibt. Die vierte Reihe nimmt die städtischen Honoratioren aufs Korn, und hier tritt uns in der Uniform des Stadtsergeanten (Tafel 28) Moritz vofi Schwind selber entgegen, der sich damit zugleich als Autor des ganzen Werkes bekannte.

Die Oesterreichische Staatsdruckerei hat auf die drucktechnische Herstellung dieser Publikation, die sich den Schwindschen Originalen auch in der Mehrfarbigkeit der Blätter anpaßt, alle Sorgfalt verwendet und damit zum 150. Geburtstag des Meisters am 21. Jänner 1954 einen sehr ansehnlichen und erfreulichen Beitrag geleistet.

Hofrat Dr. Hans Ankwicz-Kleehoven

Richard Wagner. Ein dramatisches Leben. Von Zdenko von Kraft. Wilhelm-Andermann-Verlag, München-Wien. 314 Seiten.

Das Wagner-Bild unserer Zeit bedarf einer grundsätzlichen Revision. Vielleicht wird erst eine moderne Wagner-Forschung die Grundlagen einer neuen Interpretation des Werkes schaffen, um die man sich in Bayreuth ernstlich bemüht. Der einseitige Blickwinkel, unter dem man die Persönlichkeit des Dichter-Komponisten bisher betrachtet hat, steht dem entgegen. Die unselige Verquickung mit dem Politischen, seine maßlose Ueberwertung, die Zurückdrängung des metaphysischen Aspektes zugunsten aktueller Vordergründigkeit. hat ' ein Mißverhältnis zu Werk und Schöpfer geschaffen, das die wahre Ursache der Wagner-Krise zu sein scheint. Diese wird erst durch eine neue, kühne Deutung des geistigen Phänomens Richard Wagner überwunden werden können.

Das vorliegende Buch erhebt nicht diesen Anspruch. Aber es bietet eine saubere, objektiv gehaltene Biographie, die sehr von Nutzen ist. Es verarbeitet ein reiches Quellenmaterial, das zum Teil vom Hause Wahnfried selbst zur Verfügung gestellt wurde, zu einem einheitlichen Ganzen, das Atmosphäre hat. Der Autor beschränkt sich im wesentlichen auf den Menschen Wagner, dessen

Lebensweg er in allen Höhen und Tiefen nachspürt und bis ins Detail untersucht. Das Werk hingegen wird nur im Rahmen des Biographischen berührt. Dies mag man manchmal bedauern, im Gesamten aber dient es eher der einheitlichen Linie des Buches. Die erkennbare Verehrung des Autors für die Person seiner Studie überbrückt mit Takt jene Divergenz, die zwischen Leben und Werk Wagners besteht, ohne im einzelnen die Wahrheit zu verschleiern.

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