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Hauptrolle: Das Mikrophon

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Zwei Kilometer weiter Stehen bereits die Wachtürme, doch am Mörbischer Ufer des Neusiedler Sees erhebt sich, sicherlich auch von „drüben” sichtbar, ein verkleinerter Eiffelturm, die Konturen durch Reihen von Glühlampen beleuchtet. Der Bühnenbildner Karl Eugen Spurny hat ihn als markanten Eckpunkt iür die Seebühne gewählt, auf der das sommerliche Gartenfest der pontevedrinischen Gesandtschaft in Paris stattfindet, mit strahlenden Laternen, flatternden Fahnen, farbigen Seidensmokings (nicht alle davon sehr geschmackvoll), großen Balltoiletten, Phantasieuniformen und viel „süßem Firlefanz”, wie es im Auftrittslied der Hanna heißt. In einiger Entfernung, vor dem Schilfgürtel, leuchten, lichtrsklamehaft vereinfacht, Pariser Wahrzeichen auf: Notre-Dame, Sacre-Coeur, der Are de Triofnphe, wenige Ruderschläge nėben der Bühne aber erhellt nur der Vollmond Wasser und Schilf und schafft Lenau- Stimmungen. Still ruht der See, Lippen schweigen, ‘s flüstern Geigen.

Man spielt in Mörbisch Franz Lehars „Lustige tPitwe” und diese pariserisch- pöntevedrinische Mischung, die ja in Wirklichkeit von Haus aus eine wienerisch-ungarische Melange oder Mischkulanz ist, wäre hier in dieser Gegend sehr sinnvoll angesiedelt, wenn nicht, ja wenn nicht viel vom unmittelbaren Zauber einer geglückten Aufführung des Werkes, wie sie der Regisseur Otto Fritz bietet, dadurch verloren ginge, daß man neben Sängern und Darstellern dem technischen Hilfsmittel Mikrophon eine entscheidende Rolle zuweisen mußte.

Zwischen dem Rand der Zuschauertribüne und der Bühneninsel fahren kleine Nachen, ja Danilo legt sogar mit einem Miniaturraddampfer an, dessen Fracht aus hübschen Mädchen und Luftballons besteht. Solche und andere nette Gags erheitern zwar, lassen aber doch nicht vergessen, daß bei diesem Seespiel eben die Rampe fehlt, jenes wichtige Bindeglied, das die direkte lebendige Beziehung zwischen Darstellern und Publikum und die knisternde, anregende Atmosphäre „im Haus” schafft, die gerade bei Operettenaufführungen so wichtig und mitreißend sein kann. In Mörbisch blieb man äußerlich und auch innerlich in der Distanz eines Zaungastes, auch wenn man in einer der vordersten Reihen saß, und hielt sich ans Spektakuläre, das hier zwangsläufig an die Stelle subtilerer Wirkungen treten mußte.

Auch die gesanglichen Leistungen sind unter einem ganz ähnlichen Aspekt zu werten. Sari Barabas, der Hanna Glawari des Abends, und Nigel Douglas, einem großen, eleganten und sehr beweglichen Danilo, gelang es erfreulicherweise des öfteren, die akustischen Hürden zu überwinden, ebenso Hilde Brauner als Valencienne und Alfons van Goethem als Rosilion. Georg Nowak figurierte würdig als „Landsvater in procura”, Rudolf Carl als Kanzlist Njegus spielte routinierten Rudolf-Carl-Stil. Die sehr temperamentvoll getanzten Ballettnummern (Choreographie: Imre Keres) — darunter ein Cancan von Offenbach — ernteten verdienten Beifall, eine kroatische Tambu- rizza-Kapelle stellte musikalische Beziehungen zwischen Paris, Pontevedro und dem Burgenland her. Rudolf Bibi erwies sich als versierter Operettenkapellmeister, der Chor — die Einstudierung besorgte Gottfried Preinfalk — kämpfte ebenso tapfer wie die Solisten gegen die Schwierigkeiten, Gisela Bossert entwarf effektvoll Kostüme. Das Publikum unterhielt sich und applaudierte lebhaft.

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