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Hier wird das Herz nicht alt

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BRETONISCHE MÄRCHEN. Herausgegeben und übertragen von Re Soupaull. 320 Seiten. — INSELMÄRCHEN DES MITTELMEERES. Herausgegeben von Felix Karlinger. 336 Seiten. - VOLKSMÄRCHEN AUS JUGOSLAWIEN. Herausgegeben und übertragen von Joseph Schütz. 318 Seiten. — Sämtliche: Eugen- Diederichs-Verlag, Düsseldorf. Preis je Band 13.80 DM.

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BRETONISCHE MÄRCHEN. Herausgegeben und übertragen von Re Soupaull. 320 Seiten. — INSELMÄRCHEN DES MITTELMEERES. Herausgegeben von Felix Karlinger. 336 Seiten. - VOLKSMÄRCHEN AUS JUGOSLAWIEN. Herausgegeben und übertragen von Joseph Schütz. 318 Seiten. — Sämtliche: Eugen- Diederichs-Verlag, Düsseldorf. Preis je Band 13.80 DM.

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„Da kommt auf mich ein Dämmern wunderbar; gleichwie im Traum verschmilzt, was ist, was war: Die Seele löst sich und verliert sich weit ins Märchenreich der eignen Kinderzeit.“ Diesen’Vers- zeilen Geibels könnten noch viele poetische Aussprüche angereiht werden. In einer Zeit wie der unseren, die manchenorts die Märchen sogar umzudichten versuchte, um sie einer Ideologie anzupassen; in Tagen, da der Ausspruch un widersprochen hingenommen wurde, die Märchen verdürben die Kinderseele, ja sie reizten zur Grausamkeit, und die Gegenwart sei das echte Märchen: in einer solchen Zeit, in der sich die hellsten Köpfe umnebeln lassen, ist es tröstlich, den Blick auf eine Tat zu lenken, die wieder bestätigt, daß die deutsche Literatur mit Recht den Ruf einer Weltliteratur besitzt, auf die ‘ Sammlung näriiliih, ‘die’ mit dem" Namen Friedrich von der Leyen verbunden mru» MäfeM dir" Weltlifefätur, seit’ je von Diederichs betreut und immer wieder auf den neuesten Stand der Forschung gebracht.

Re Soupault verweist in seinem Nachwort mit Recht darauf, daß der Bretagne ein Sonderband in der Sammlung gebührt; in dieser Landschaft hat, wie auch von der Leyen betont, der Einfluß der im 5. und 6. Jahrhundert eingewanderten Kelten bestimmend gewirkt. Sprachliche Gründe waren bei der Auswahl bestimmend und legten eine Teilung gemäß den getrennten Forschungsgebieten der Basse- Bretagne (des bretonisch sprechenden westlichen Teiles der Halbinsel) und der

Quellenmäßig — das ist im Anhang nachgewiesen — wurden für die Basse-Bretagne vor allem die Sammlungen von Luzel und Souvestre benützt, für die Haute-Bretagne jene von Orain und Sebillot.

So verhältnismäßig leicht die Herausgabe der Märchen, Sagen, Legenden und Schwänke aus dem Lande sich gestaltete, in dem die Erinnerung an König Artus und an seine Tafelrunde, an Lancelot, Par- zival und den Zauberer Merlin weiterlebt, «•»¡vera&feMt -WOT-die: .Aufgabe . für den Bereich des Mittelmeeres. Der Herausgeber iialL.dje, bunten Mosaiksteineben . für ein großes Bildwerk zusammengetragen, der Ost-West-Linie folgend. Er vermochte, ungeachtet der Tatsache, daß drei Kontinente an den Ufern des Meeres sich berühren, daß jahrtausendelang Völkerbewegungen diesem Gebiet unverlierbare Kennzeichen aufgeprägt, gerade aus der Vielfalt und dem scheinbaren Gegensatz von Motiven das Einigende herauszuarbeiten. Von den zyprischen Märchen an, denen orientalische Phantastik eigen ist, über Rhodos, Lesbos (die Insel ist sehr reich an schön erzählten Märchen) nach Karpathos (wo wir auf die antike Schicksalsgöttin Moira treffen), nach Kreta, weiter über Thera, Syros, Euböa geht der Weg nach Malta, das auch im Märchen eine Schlüsselstellung einnimmt, nach Sizilien, Sardinien, Korsika bis zu den Balearen. Die Weite: Orient in Zypern, katalanischer Raum um die Balearen, zeigt die imponierende Le:stung des Herausgebers, der nur die dalmatinischen Inseln auslassen mußte, weil er, dies sehr schmerzlich empfindend, über die nötigen slawischen Sprachkennt- nisse nicht verfügte. Diese Lücke wird sicher noch geschlossen werden.

Die Volksmärchen aus Jugoslawien deuten bereits in diese Richtung. Im Quellennachweis haben wir jedenfalls einige Beispiele von Erzählern wenigstens aus Dalmatien gefunden (Ragusa, Bocche di Cattaro). Der serbokroatische Raum steht uns aus langer geschichtlicher Überlieferung besonders nahe. Vuk Stefanovic Karadzic (1787 bis 1864), der Begründer der neuen serbokroatischen Schriftsprache, hat serbische Volkslieder schon 1823, Märchen 1853 (deutsch 1854) gesammelt, angefeuert durch die persönliche Bekanntschaft mit Jacob Grimm und Goethe. Neben Karadzic dürfen aber Persönlichkeiten, wie Mikulicic. Stefanovic, Dizdar oder Bogdanovic und andere, nicht übersehen werden. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt bei den Zauber- und Wundermärchen, aber auch Tier- und Schwankmärchen fanden Aufnahme. Das Buch bringt viele, bisher in deutscher Sprache nicht bekannt gewesene Märchen. Das wie bei allen Bänden sorgfältig angelegte Literaturverzeichnis reicht, was deutsche Veröffentlichungen betrifft, bis zum Jahre 1958, was jugoslawische Publikationen angeht. bis 1956.

Welche seltsame und bedeutungsvolle Gemeinsamkeiten uns beim Durchblättern der Bände auffallen! Die Geschichte „Der Bettler und das Paradies" in den „Volksmärchen aus Jugoslawien“ hat unverkennbar den gleichen Schlußakkord und die geistige Leitlinie wie „Das Kristallschloß“ in dem Bande der „Bretonischen Märchen". Auch F. M. Luzel hat im Vorwort zu seinen „Contes populaires de la Basse- Bretagne" erwähnt, daß er nahezu alle

Märchen seiner Sammlung entweder in den Grundgedanken oder in den einzelnen Motiven in den „Contes des patres et des paysans slaves“ (Märchen der slawischen Hirten und Bauern) von Alexander Chodzko wiedergefunden habe. „Die Wfclt wird Traum, der Traum wird Welt“, sagt Novalis im zweiten Teil seines „Heinrich von Ofterdingen“.

DER FEUERVOGEL. Von Alexander N. Afanasjew. Steingrüben-Verlag, Stuttgart. 379 Seiten. Preis 19.80 DM.

Neben den in der Sammlung „Märchen der Weltliteratur“ durch Olesch im Jahre 195 5 herausgegebenen russischen Volksmärchen tritt nun dieses Buch mit dem Untertitel „Märchen aus dem alten Rußland“. Sein Herausgeber, N. Afanasjew, hat sich als unermüdlicher Sammler des über ein Riesenreich verstreuten Schatzes an Märchen vor mehr als hundert Jahren einen ebenso berühmten Namen zu verschaffen gewußt, wie die Brüder Grimm. Wie wir schon vorhin bei einem Beispiel erwähnten, ist es überaus reizvoll, den Gleichläufigkeiten nachzugehen. Die Übersetzung (nach der dreibändigen, neuesten Originalausgabe, Moskau 1957) durch Ingrid Tinzmann und Christine Koller ist gut lesbar. Das Nachwort von Dimitrij Tschischewskij gibt über die kulturhistorische Situation genügenden Aufschluß. Fritz Fischer hat köstliche Zeichnungen geliefert, die typographisch abwechslungsreich angeordnet sind.

DEUTSCHE VOLKSMÄRCHEN. Herausgegeben von Ursula Ewig. Fischer- Bücherei, Frankfurt am Main. 334 Seiten. Preis 3.30 DM.

Ein recht brauchbares, sowohl die beliebtesten Stücke aus der Sammlung der Brüder Grimm als auch aus später erschienenen Sammlungen mit Bedacht auf abwechselnde Stimmung zusammengestelltes Buch. Mehrfach ist der österreichische Raum bei den Märchen nach Grimm berücksichtigt (siehe die Bücher der Brüder Zingerle und Zaunerts).

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