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Musik zur Liturgie

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Das päpstliche Rundschreiben „Mediator Dei” vom 20. November 1947 enthält in nachdrücklicher Betonung der kirchenmusikalischen Gesetze die klaren Worte: „Der gregorianische Gesang, den die Kirche als ihren ureigenen Besitz betrachtet und den sie den Christgläubigen immer wieder als den ihnen in besonderer Weise zukommenden Gesang vorlegt und in verschiedenen Teilen der Liturgie verbindlich vorschreibt, bewirkt nicht nur, daß die Feier der heiligen Geheimnisse an Würde und Feierlichkeit gewinnt, sondern vor allem auch, daß der Glaube und die Frömmigkeit der Teilnehmer am heiligen Geschehen vermehrt wird.”

Von diesem Blickpunkt aus gesehen, ergibt die landläufige Pflege der Kirchenmusik ein etwas sonderbares Bild. Unleugbar sind, die Unzulänglichkeit der Mittel in idealer Hingabe überwindend, religiöser und künstlerischer Gestaltungswille mit neuer Kraft am Werke. Der Impuls geht überwiegend von den Hütern des überkommenen Erbes aus und gilt in erster I inie der traditionellen heimischen Kirchenmusik. Dieser an sich gesunde Zug, bis in die’ Dorfkirchen hinein spürbar, führt indes unmerklich zur Rückwärtswendung anstatt zur Neugestaltung. Die vermeintliche Verjüngung wird zur Vergreisung, wenn, wie in überwundenen Zeiten, das liturgische Geschehen vom musikalischen beschattet wird, statt umgekehrt. Leider sind viele Kirchenchöre auf dem besten Wege, in den gepflegten Schlendrian von Anno dazumal abzugleiten, was im Spiegel der „Radiomessen” aller Sender deutlich genug spürbar ist.

Aus einer Innsbrucker Kirche wurde eine große Messe von Karl Senn übertragen, leider ohne Proprium, mit t’agesfremden Zwischengesängen. Aus der Franziskanerkirdie in Salzburg ist gelegentlich ähnliches zu hören. Der Chor an der Nikolaikirche in Villach rezitierte wenigstens das Proprium in aller Kürze und schloß lange, kirchlich nicht sehr belastete „Einlagen” daran mit einer (übrigens hübschen) Aufführung von Handels Halleluja als Draufgabe. Bewundernswert, wie viel ein Chor lernt, der keine Zeit für das Proprium hat. Er würde vermutlich lieber ein ganzes Oratorium als einen einzigen Introitus studieren. Also wieder Konzerte mit begleitendem Gottesdienst, anstatt „integrierender Bestandteil der Liturgie”, auf den man sich so gerne beruft. Durch Radioübertragung propagiert und zur Nach- ‘ ahmung empfohlen.

Wie ein frischer Wind wirkt da die Verordnung des Bischofs von Linz, wonach in seiner Diözese jede für den Radiogottesdienst bestimmte Musik auf kirchliche Eignung und Vollständigkeit zu prüfen ist und der bischöflichen Genehmigung unterliegt. Für das liturgische Empfinden der Kirchenmusiker nicht gerade ein Lob, bedeutet sie ein notwendiges Korrektiv der Zustände, einen wirk men Halt.

Wien imertrug aus der Franziskanerkirche neben einer schönen Wiedergabe der Borromäusmesse des Amerikaners Scheel (Akademiekirchenchor) und einer erfreulichen Aufführung der selten gehörten Lucienmesse Franz Witts (Chor der Kar- . mejitenkirche), die ernste dunkeltönige Familienmesse von Hans Bauernfeind unter des Komponisten eigener Leitung, eine der bedeutendsten neuen Messekompositionen. Daß aber Bauemfeind auch das Proprium im gregorianischen Choral komponiert haben soll, wie die Wiener Ansage behauptete, ist natürlich eine Ente. Doch die Ravag läßt sich nicht beirren. Seit Monaten schiebt sie den Messekomponisten auch den gregorianischen Choral in die Schuhe.

Muß von der im Rundfunk übertragenen. Meßkom position unbedingte Vorbildlichkeit verlangt werden, weil sie nur unter dieser Voraussetzung ihren Sinn erfüllt, gottesdienstliches Zeugnis, kultureller Faktor und musikalisches Beispiel zu sein, so kann daneben gern und freudig anerkannt werden, daß in vielen heimischen Kirchen einwandfreie Kirchenmusik mit Ernst und Eifer gepflegt wird und der neue Geist, zwischen vergilbten Notenblättern nur unvollkommen manifestiert, immer mehr offene Türen findet. Dieser neue Geist kommt vom Gedanken des Gebetes. Ihm gilt die Choralpflege, die, wenn auch nicht vorbildlich, so doch eifrig genannt werden kann, ebenso wie, die Pflege der Tagesgesänge, die in keinem Hochamte fehlen oder verstümmelt wiedergegeben werden sollen.

Dabei soll in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wir wollen auf die traditionelle Kirchenmusik der „Wiener Klassiker” nicht verzichten, aber wir wollen sie weniger ausschließlich und von neuem Geiste erfüllt, dem auch die schönste Haydn- und Mozart-Messe nur dann gottesdienstliche Musik bedeutet, wenn sie in eine würdige Wiedergabe der Gesänge des Propriums eingebettet ist.

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