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Ornament allgegenwärtig

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Die Toskana-Italiener erfahren durch die „Toskana-Deutschen” den Wert ihres alten Gemäuers. In österreichischen Dörfern werden Ornamente, die man noch vor zehn Jahren einfach abgeschlagen hätte, aufwendig restauriert. Ausländer verhelfen dem traditionellen marokkanischen Handwerk zu neuer Geltung. Auch weit jenseits unseres Gesichtskreises, im Pazifik, wird Insulanern, die ihre traditionelle Architektur nicht so ohne weiteres aufgeben wollen, immer mehr Bestätigung zuteil - durch Franzosen, Engländer und Amerikaner, die sich an die lokalen Bauweisen halten oder zumindest von ihnen anregen lassen.

Wer sich für die Bewahrung der sogenannten naiven Architektur und deren Rezeption durch heutige Architekten und Bauherren interessiert, ist mit den Bänden „Marokko” und „Pazifik” der neuen Buchreihe „Die Welt des Designs” im Verlag Knesebeck, beide von Herbert Ypma, gut beraten. Sie geben reichlich zu schauen, aber auch zu denken. Zum Beispiel nachzudenken über den berühmten Aufsatz „Ornament und Verbrechen” von Adolf Loos, der hier keineswegs widerlegt, aber gründlich relativiert wird. In beiden Fällen wimmelt's von Ornamenten und dekorativen Elementen.

Loos war nicht nur ein großer Architekt, sondern ein konsequenter Theoretiker der europäischen Baukunst und trieb, völlig legitim, ihr innewohnende Tendenzen auf die Spitze. Ob er überholt ist, darüber mag man streiten - mit Loos an die Traditionen Marokkos oder Ozeaniens heranzugehen, wäre katastrophal. Genau betrachtet, werden sie ihm aber sogar in vielem gerecht. Der tabakfarbene Tadlekt von Dar Tamsna hätte auch ihn begeistert. Tadlekt ist ein wasserfester, etwas unebener Gipsputz, der für die Wände der Dampfbäder entwickelt wurde und der mit Flußsteinen geglättet und gehärtet, mit Eiweiß glasiert und schließlich mit ölreicher Seife poliert wird und dabei die Härte von Marmor annimmt. Ein in diesem Fall besonders geeignetes Verfahren: Dar Tamsna wurde von einer Pariser Anwältin als Rohbau, als kahler Retonwürfel gekauft und zu einer Chance für marokkanische Handwerker, ihm mit Hilfe ihrer tradierten Techniken Leben einzuhauchen.

Zu den faszinierendsten Techniken marokkanischer Handwerker zählt Sillij, das Mosaik aus handgeschnittenen Fliesen. Spitzenleistungen sind in der Alhambra zu sehen. Aus Andalusien vertriebene Künstler machten später diese Tradition in Marokko heimisch, wo sie vor einigen Jahrzehnten fast zugrunde gegangen wäre. Als nur noch 50 Sillij-Meister vorhanden waren, startete König Hassan II. ein Programm zur Verschönerung der königlichen Paläste. Heute hat die Sillij-Zunft wieder 700 Mitglieder.

In Ozeanien herrschen völlig andere historische und ökonomische Voraussetzungen. Die Bestätigung und Verstärkung der lokal vorhandenen Bewahrungstendenzen durch weiße Zuwanderer hat hier eine noch sehr viel größere Bedeutung als in Marokko. Dies führt auch zu einer entsprechend starken Umwandlung und Adaption der Traditionen. Ein Prozeß, der von Herbert Ypma, dessen Generalthema ja Design heißt, freilich

Gebälk einer Kirche auf Mauke (Cook-Inseln, 19. Jahrhundert, oben); Ferien-haus auf den Fidschi-Inseln (links) nicht besonders reflektiert wird. Aber die Vermutung, daß die Bewahrung der handwerklichen und farbenfrohen ästhetischen Traditionen Polynesiens in den letzten Jahrzehnten aus den Händen verständnisvoller Missionare und Pfarrer in die der Tourismusindustrie und der Ausländer auf dem Trip zu letzten Paradiesen übergegangen ist, dürfte nicht ganz abwegig sein. Die Bandbreite des Revitali-sierens umfaßt das sorgfältige Restaurieren alter Kirchen ebenso wie die Arbeit einer Designerin, die polynesi-sche Stilelemente mit afrikanischen und indischen mixt, landschaftsgerechte Wohnhausarchitektur mit po-lynesischen Zitaten ebenso wie Feriendörfer im lokalen Stil, die nach Sturmschäden immer wieder in der alten Technik erneuert werden.

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