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Sowjetarchitektur

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„So baut man in der Sowjetunion“: auf agitatorische Wirkung und unmittelbaren Eindruck bedacht, wie sich an einer Ausstellung in der Hofburg zeigt. Man will nichts als wirken, aber weil man nicht mit den Stilmitteln der Moderne wirken karm — teils weil man sie aus ideologischer Überzeugung ablehnt, teils weil sie sich zur Darstellung denkmalhafter Monumentalität auch tatsächlich nicht eignen —, versucht man, durch kolossale Massen und Maße zu wirken. (Der „Sowjetpalast“ zum Beispiel wird laut Projekt „das größte Gebäude der Welt sein, seine Höhe 400 Meter betragen, wovon 100 Meter allein einer ungeheuerlichen Lenin-Statue zugedacht sind, während unter ihren Füßen ein Kuppelsaal, hoch über dem Boden, Versammlungen mit 27.000 Teilnehmern Raum bieten soll.) Bauformen aus dem klassizistischen Inventar, das überall verwendet wird, wo ein eigener Stil nicht zur Verfügung steht, dienen einer, allerdings sehr äußerlichen, Uniformierung und Stilisierung der voluminösen Bauten und Baukomplexe; manche der projektierten Anlagen erinnern solchermaßen unmittelbar an die architektonischen Phantasmagorien Schinkels oder anderer deutscher Klassizisten. Die korinthische Säule, ein typisches Machtsymbol, taucht in zahllosen Variationen auf, fast jedes umfangreichere Gebäude, gleich ob Theater,

Partei- oder Ausslellungshaus oder Großzirkus, zeigt wenigstens an seiner Vorderfront den Dreiecksgiebel und die Säulenstellungen griechischer Tempel; in einzelnen Fällen werden Motive alter asiatischer Volkskünste verwendet und solchermaßen die Klassizismen durch Romantizismen ersetzt. Diese grundsätzlich historisierende Baugesinnung steht in seltsamem Widerspruch zu sehr zeitgemäßen rationalisierenden Baumethoden, über welche die Ausstellung leider nur sehr knappe Auskünfte erteilt, wie sie übrigens auch über den Bau von Einzel-, Siedlungs- und Landhäusern, die interessantesten Probleme der Architektur unserer Zelt, nur wenig berichtet. Ihre technische Gestaltung läßt zu wünschen übrig; die Photographien sind teils unscharf, teils zu klein und erschweren Ubersicht und Vergleich.

Der Kärntner Werner Berg zeigt in den Foyers des Konzerthauses eine Reihe seiner großen und ausdrucksstarken Holzschnitte, die ihm unter den österreichischen Graphikern einen guten Namen sichern. Ihre Themen sind ausschließlich der bäuerlichen Welt Süd-kärntens, in der Berg lebt, entnommen; diese selbstgewählte Beschränkung auf ein sehr begrenztes Darstellungsgebiet verleiht den Blättern Sicherheit und Realität, freilich auch e,ne gewisse Einförmigkeit. Ein starker Drang zur

Großzügigkeit, vielleicht sogar Monumentalität, wird spürbar, erreicht sehr häufig, was er will, bleibt aber manchmal auch in der äußerlichen Reduktion des Naturvorbildes stecken; man hat dann den Eindruck, als hätte Berg seine Figuren statt mit dem Messer ins Holz mit der Schere aus schwarzem Papier geschnitten. Alles in allem: Werner Berg scheint noch nicht am Ende aller seiner Möglichkelten zu sein.

Mit einem ausgezeichneten Plakat werben die „Künstlerischen Volkshochschulen für den Besuch ihrer Ausstellung in der Akademie am Schillerplatz. Wie immer bei solchen Anlässen ist man von der Liebe und dem Fleiß, mit dem sich Malerdilettanten künstlerischer Betätigung hingeben, überrascht und entzückt; aber ihre Arbeiten sind doch den Werken der berufenen Künstler zu sehr angenähert und dämm künstlerische Halbheiten, die den Unterschied zwischen Dilettanten und Könner schmerzhaft-peinlich deutlich machen. Wäre es nicht vielleicht doch besser, zu versuchen, jenen naiven Gestal, tungsdrang zu befreien, der jedem Menschen eingehoren und eines primitiven, aber kräftigen Stilgefühls von vornherein sicher ist? Wie lebendig er im Kind ist, haben viele fruchtbare Kinderkunstuntersuchungen gezeigt; daß er durch die Pubertät nicht beendet, sondern höchstens unterbrochen wird und im Erwachsenen noch weiterwirkt, beweist jedes Volkskundemuseum und, in dieser Ausstellung, das zauberhaft-kindliche Aquarell eines 77jährigen Pensionisten. Ob die in den Volkshochschulen und ähnlichen Einrichtungen angewandte Lehrmethode des „Vorwärts zur Kunst“ nicht wenigstens versuchsweise durch die des „Zurück zur Kunst abgelöst werden sollte? Die Ergebnisse würden möglicherweise befriedigender und in gewissem Sinne sogar künstlerischer sein.

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