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Studenten in Istanbul

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Haben die deutschsprachigen Studentenbühnen sich dieses Jahr in Erlangen ein Stelldichein gegeben, so arrangierten Studenten aus insgesamt elf europäischen Ländern in Istanbul eine internationale Kulturwoche. Studentendasein hat etwas Internationales. Schon das Studium an sich wird von einem Fluidum grenzensprengender Tradition getragen, man lebt noch außerhalb beruflicher Kalkulation in der größeren Dimension geistiger Werte und findet immer wieder Anlässe, um über territoriale Schranken und über sprachliche Grenzen hinweg sich im brüderlichen Wettstreit zu messen. Dazu kommt das Verbindende der Kunst im allgemeinen; so war das Interesse berechtigt.

Im Shan-Kino, einer Art Ufa-Filmpalast (bis zum Ufa-Ton) gleich vis-ä-vis dem Hilton-Hotel am verkehrsreichen Boulevard der Republik, bestritten die Studenten insgesamt 17 Vorstellungen mit Chor- und Orchesterwerken, Theaterstücken und folk- loristischen Tänzen. Man hatte verzichtet, die Veranstaltung unter ein Generalthema zu stellen; so war den einzelnen Delegationen alle Freiheit gegeben, das darzubieten, was ihnen am besten entsprach. Dazu kam, daß sich die türkische Studentenorganisation TMTF alle erdenkliche Mühe gab, um den Gästen die Arbeit und den Aufenthalt in der sommerlich heißen Metropole so angenehm wie. möglich zu machen.

Die Gastgeber eröffneten auch, und zwar — wie nicht anders zu erwarten — mit folkloristischen Tänzen, in denen die Turbulenz von Farbe, Rhythmus und gebändigter Kraft, Kostüm und Tanzschritt vom ungestüm Derben bis zu sanfter Anmut, wie wir sie etwa von Miniaturen der osmanischen Blütezeit her kennen, imponierte. Die Farben waren eher dunkel gehalten und die Musik gemessen, ernst, ohne das Schalkhafte der Tänze hierzulande. Ein Tanzchor aus Finnland, der zwei Tage später auftrat, überließ sich dem Schwung einer ausgebreiteteren Melodie und einer freieren Gebärde.

Mit ausgesprochenen Chor- und Orchestergruppen waren die Universitäten von Lyon und Straßburg vertreten. Letzte gefielen vor allem mit ihrer Bachpflege, wofür das Publikum, vornehmlich aus Mitgliedern des türkischen Lehrkörpers und aus Studenten bestehend, mit Enthusiasmus dankte — und das nach einem Monsterprogramm eines zweieinhalb Stunden währenden Chorabends. Die Geschlossenheit und das exakte Spiel, mit denen hier exerziert wurde, wird in dem für europäische Musik nicht sonderlich aufgeschlossenen Istanbul in starker Erinnerung bleiben. Mit moderner Musik — etwa über Hindemith hinaus — hielt man außer einigen kurzen und durchaus konventionellen Werken der Dirigenten selber zurück.

Das Programm der Theaterabende spiegelte mit Ausnahme des amerikanischen Theaters im Grunde den Spielplan Europas wider. Aus der Summe der Aufführungen verdient vor allem die Darstellung von Eliots „Geburtstagsparty“ durch Londoner Studenten hervorgehoben zu werden, die mit unerhört sicherem Tonfall und Gebärde, wie man sie bei Laiengruppen kaum zu erwarten hoffte, dem sprachlich schwierigen Werk gerecht wurden. Ebenso konnte ein Ensemble der Stuttgarter Technik mit einer beklemmend intensiven Aufführung von Borcherts „Draußen vor der Tür" aufwarten. Beides großartiges Theater,.,in dejn sonst eher auf Boulevardbühne . Į. abestimm'ß'n“"' TsfanpuIT, ""'ETnis Wiedergabe von Samus’ „Gerächten“ durch dasselbe Ensemble litt an der weitverzweigten Problematik des etwas bühnenfremden Stückes. Dagegen kam „Picknick an der Front“ des französisch schreibender Spaniers A r r a b a I in der Darstellung von finnischen Studenten recht kräftig zur Wirkung. Wie eine Fontäne stanc das Schlußbild vor dem Publikum, das dem Anliegen des Stückes von vornherein offenstand. Die Türken selbst gaben außei einigen kurzen und durchweg pantomimischen Szenen türkischer Autoren ein Kostprobe ihres europäischen Literaturverständnisses in einer Aufführung vor Giraudoux’ „Apoll von Bellac“ durcl das Robert-College (die amerikanisch Schule in Istanbul). Es gelang nicht ganz dem Transparenten des Werkes durcl Statisch-Typenhaftes gerecht zu werden.

Österreich, sonst meist durch da: Jeunesse-Orchester repräsentiert, blieb dies mal der Veranstaltung, in die sich vie jugendlicher Enthusiasmus, viel Geschick lichkeit und viel Freude ergoß, fern. Mat erinnert sich der Zeit, da das Studio de: Wiener Hochschulen die Farben unsere: Theater- und Musiklandes zum besten ver treten hat. Es blieb ohne Nachfolge bi: heute.

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