6557362-1948_29_10.jpg
Digital In Arbeit

Aus Hofmannsthals Werken

Werbung
Werbung
Werbung

Nun jährt sich wieder der Todestag des Dichters, der am 15. Juli 1929 ln seinem Heini in Rodaun aus dem Leben schied. Bis dahin waren nur sehr unvollständige und mit geringer Sorgfalt zusammengestellte Ausgaben seiner Werke erschienen, anderes war in Zeitschriften und Privatdrucken zerstreut, zum Teil gänzlich vergriffen. Nun, da der Bermann-Fischer-Verlag, Stockholm, die ersten Bände einer großen Ausgabe der „Gesammelten Werke” erscheinen läßt, rücken auch weniger beachtete Zweige des Hof- mannsthalschen Schaffens in das richtige Licht. — Der dritte Band dieser Ausgabe umfaßt die Lustspiele „Der Rosenkavalier” und „Christines Heimreise” mit zwei Fragmenten, die man als Vorstudien zu der venezianischen Komödie ansehen mag. Die Bezeichnung: Lustspiel, Komödie, die Anmut der Zeichnung und die Leichtigkeit der Diktion dürfen uns nidjt dazu verleiten, diesen Teil der Hofmannsthalschen Produktion zu Unterschätzen. Denn um die gleichen entscheidenden Fragen wie die großen Dramen kreisen auch die Lustspiele des Dichters: um das Problem der Lebenstreue, der Verantwortung, der Ehe und der Vaterschaft. Nun wissen wir aber aus einem großen Brief Hofmannsthals, welcher die „Ariadne” erläütert, sowie aus zahlreichen Aussprüchen und Werkstellen, mit welchem Ernst und mit welch hoher ethischer Verantwortung Hofmannsthal in seinen Werken gerade diese Fragen behandelt hat. War für ihn doch jede menschliche Würde an die Treue gebunden, und sah er doch in der Familie —über das Du — den Weg zum Kinde, zu dem großen Wunder olles Zukunftsträchagen und Kommenden, dessen hohes Symbol der Dichter zum letztenmal im Kinderkönig des „Turms” darstellte. In der gleichen Richtung, aber aul einer anderen Ebene, bewegen sich auch die Gestalten des wenig bekannten Lustspieles „Chri- stinas Heimreise”; Flqrindo, der Abenteurer, trifft in dem kleinen venezianischen Gasthof Christina, die mit ihrem Oheim, dem Pfarrer von Capodiponte, in der abenteuerlichen Stadt weilt, um einen sehr ehrbaren Vorsatz auszuführen. Sehr bald gerät sie in die Netze Flo- rindos, doch dieser — teils dem eingeborenen Freiheitsdrang folgend, teils vom eigenen Unwert überzeugt — spielt das unschuldige Mädchen vom Lande in die Hände eines ehrsamen, älteren Kapitäns, der nach langjähriger Abwesenheit nach Europa zurückgekehrt ist, um sich hier zu vermählen und sein Leben zu beschließen. So wird der Ungetreue zum Stifter einer glücklichen Ehe. Es ist also der übliche Lustspielschluß. Aber wie er herbeigeführt wird, mit welcher Leichtigkeit und zugleich mit welcher Reinheit schwierige Situationen gemeistert werden: das ist echter Hofmannsthal und steh: auf gleichem Niveau mit dem „Schwierigen”. Freilich ist das Gewebe dieser Lustspiele so zart und so dicht, daß eine grobe Regie hier alles zerstören könnte. So mag es dem Freund und Bewunderer Hofmar.nsthalscher Kunst fast eine Beruhigung sein, daß sich die Bühnen seines Werkes nur zögernd bemächtigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung