6741223-1966_42_11.jpg
Digital In Arbeit

Besser nichts als gar nichts

19451960198020002020

DIE STUNDE DER KOMÖDIANTEN. Roman. Von Graham Greene. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien-Hamburg. Aus dem Englischen übersetzt von Hilde Spiel. 3 2 Seilen. S 12.—.

19451960198020002020

DIE STUNDE DER KOMÖDIANTEN. Roman. Von Graham Greene. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien-Hamburg. Aus dem Englischen übersetzt von Hilde Spiel. 3 2 Seilen. S 12.—.

Werbung
Werbung
Werbung

Graham Greene, Jahrgang 1904, ist zunächst ein brillanter, stets fesselnder Schriftsteller, ob er nun gewichtige Bekenntnisbücher schreibt (die alle an dieser Stelle ausführlich besprochen wurden) oder ob er sich mit „entertainment“ begnügt, wobei er auch kolportagehafte Elemente nicht verschmäht. Und Greene kennt sich aus in der Welt und bei den Mächten, die sie regieren. — Nachdem er als Feuilleton- und Nachrichtenredakteur tätig war, trat er ins Foreign Office ein. Bereits 1938 wurde Greene nach Mexiko ge schickt, um über die Situation der dortigen Kirche zu berichten, er bereiste 1942/43 Westafrika und war im Kriegsgebiet von Indochina. So ist es natürlich, daß er sich für seine Romane immer wieder „exotische“ Schauplätze wählt, die aber gar nicht so wirken.

Diesmal, in „Die Stunde der

Komödianten“, schildert er Menschen und Zustände im ehemaligen Touristenparadies Haiti. Aber es ist ein armes, schäbiges Land geworden, wo schwarze Terroristen, mit umgehängten Maschinenpistolen und schwarzen Sonnenbrillen versehen, im Namen von „Papa Doc“, des

Staatspräsidenten Doktor Duvalier, allnächtlich Verhaftungen und Erschießungen vornehmen. Die triste Ferieninsel mit ihren vernachlässigten Luxushotels, unter das Regiment der „kleinen schwarzen Teufel“, der „Tontons Macoute“ geduckt, das ist so recht ein Milieu für Graham Greenes Gestalten, die unter Verfolgung, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit leiden. Es ist eine mit faszinierender Eindringlichkeit geschilderte Welt der Gleichgültig- Verzweifelten und Hoffnungslosen.

Zwar warnt der Autor davor, daß man ihn mit seinem Helden Brown identifiziert, aber dieser hat doch Züge, die ziemlich eindeutig auf Greene weisen. Brown, jetzt Ende der Fünfzig, ist 1906 in Monte Carlo geboren, stammt von britischen Eltern, wurde bei den Jesuiten erzogen, gewinnt im Kasino und schlägt die Laufbahn eines Hoteliers ein. Das bringt ihn nach Haiti, wohin er, zu Beginn dieses Romans, nach dreijähriger Abwesenheit, zurückkehrt. Er findet alles verändert, sein Hotel verwahrlost und beschließt, Haiti wieder zu verlassen, um zunächst in die den übrigen Teil der Insel einnehmende freie Republik Santo Domingo hinüberzuwechseln. Auf dem Schiff hat er während der Herreise den falschen Major

Browns. Ihr Vater wurde unmittelbar nach dem Krieg in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands als Kriegsverbrecher hingerichtet. Zwischen ihr und Brown gibt es einige für Greene sehr bezeichnende Gespräche. Sie ist Protestantin er Katholik, aber sie erklärt sich „für ein protestantisches Nichts" und hält ihn „für ein katholisches Nichts“, das scheint der einzige Unterschied. Doch Brown kann seine Erziehung bei den Patres nicht vergessen. Auf ja oder nein befragt, würde er sich wahrscheinlich als Atheisten bekennen, aber „sie lehrten uns denken, und so wissen wir zumindest, welche Art von Rolle wir jetzt spielen“. Und Martha sagt einmal: „Keiner von uns würde jemals aus Liebe sterben. Wir würden uns grämen und trennen und jemand anderen finden. Wir gehören der Welt der Komödie und nicht der Tragödie an.“ Beachten wir noch das Wort des Kommunisten Dr. Magiot („Ich glaube noch an etwas, sei es auch nur an die Wahrheit gewisser ökonomischer Gesetze. Aber Sie haben Ihren Glauben verloren.“) und bezieht man den „idealistischen“ Standpunkt der beiden Smith ein, so haben wir das Planquadrat abgesteckt, innerhalb dessen sich die Gestalten Greenes bewegen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung