6618465-1955_47_09.jpg
Digital In Arbeit

„Der Fall Pinedus“ und der Fall Cocteau

Werbung
Werbung
Werbung

In dem Stück „D e r 'F a 11 P i n e d u s“, derzeit ein ziemlich schwieriger Fall im Parkringtheater, wird viel von Schuld gesprochen. Ob wir ohne Schuld überhaupt leben können, ob die Welt an sich schuld sei und ob wir nicht am Ende gar Schuldige und Opfer zugleich seien. Fangen wir hinten an und stellen grundsätzlich fest, daß die Opfer auf alle Fälle die Schauspieler sind, in erster Linie Robert Werner und Franz Waldeck, die wirklich prächtig spielen. Schuldige hingegen gibt es in dem Stück drei: Herrn L., Herrn K. und Herrn W. Der erste ist der Autor Paolo Levi, der zweite ist „Herr K“, Kafka, den Paolo Levi in der Figur des Dr. Pinedus *(der übrigens wirklich unschuldig, ist, aber sterben muß, weil es sich sein Autor so in den Kopf, gesetzt hatte) interpretieren wollte, und der dritte ist Oskar Willner, der Regisseur, der-'es zwar nicht leicht hat, aber es sich noch leichter macht.

Das Stück könnte auch „Veraltete Aktualität“ oder „Kafka, gelesen und nicht verstanden“ heißen, denn was problematisch daran ist, hat nur noch musealen Wert, und das .Kafkanische daran ist bestenfalls eine Kafkeritis. Es hält nichts stand, weder die auf Biegen und Brechen konstruierte Gesellschaftskritik noch die Problemstellung, deren einziges Problem das Unvermögen ist, noch die zum Vorwand genommene Symbolik, noch der zur Tarnung verwendete kategorische Imperativ der Ethik. Das einzig Stichhältige an dem ganzen ist das Klischee und die Effekthascherei — sie sind ein Symptom der Zeit.

*

Um einiges besser traf es das Kaleidoskop. Auch hier passierte zunächst ein ' Malheur. Ein Schweizer Autor verursachte es, C. F.'V auch er, der seinen Einakter „U a 1 - U a 1“, der bestenfalls auf einem Brettl vorstellbar ist, weiß Gott warum und sehr zum Schaden des Kaleidoskops schrieb. Mehr als „ualual“ ist dazu auch nicht zu sagen. Die Regie (Alex Wagner) besorgte den Rest.

Ein ganz anderer Fall dagegen ist Cocteau. Nach wenigen Minuten war „Ual-Ual“ samt allen Schweizer Autoren vergessen. Von der ersten Szene des „Armen Matrosen“ aus Jean Cocteaus Taschentheater an zeigte eine Handvoll junger Menschen, was Theaterspielen heißt, was Atmosphäre ist und wie man es richtig macht. Cocteaus Moritaten und Dramenskizzen zu spielen, ist nicht leicht, weil es sich zwar um technisch geniale, im übrigen aber banale Entwürfe handelt, die großen Schauspielern zugedacht sind. Und die Regie hat es vielleicht noch schwerer, weil man in diesen rasch hingeschriebenen Bravourstückchen den Gehalt, die Atmosphäre, die spielerische Brillanz Cocteaus nur erahnen kann. Martha Strohschneider in der Hauptrolle und Regisseur M a t i a s e k zeigten sich fast traumwandlerisch sicher. Georg Lhotsky in der Titelrolle. Anton Rudolph und Alfred Heger waren gute, sehr gute Helfer.' Mögen alle Leiter unserer Kleinbühneh ins Dobner gehen und an Helmuth Matiaseks „Armem Matrosen“ Unterricht nehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung