6609566-1954_42_11.jpg
Digital In Arbeit

Der Sauerbruch-Film

Werbung
Werbung
Werbung

Man muß geraume Zeit zurückdenken, um auf einen so echten, spontanen, „unwattierten" Wiener Premierenbeifall zu stoßen wie nach der Erstaufführung des deutschen Films „S a u e r b r u c h — Das war mein Lebe n". Und mit Recht. Was für feine, federnde Arbeit beispielsweise ist das Buch Felix Lützkendorfs, das unter der Oberfläche einer sauberen, geradlinigen Handlung in Form von eingeblendeten vergangenen Lebens- und Schaffensstationen immer wieder tiefere Schichten bloßlegt, Schichten dazu, die stellenweise (wie die Episode Hindenburg oder Sauerbruchs Blick auf die Trümmer des Dritten Reiches!) immerhin eine politische Verlegenheit darstellen könnten... Wie baut sich hier aus den tausendfach vorher mißbrauchten Staffagen des Arztfilms, den weißen Mänteln, den schauerlich klappernden „Mordwerkzeugen" und den stets gefüllten Kaffeeschalen das strenge Ethos eines Berufes und das immer erregende Drama menschlichen Strebens und Scheiterns!, Wie souverän wählt und führt der Regisseur Rolf Hansen ein gutes Dutzend idealer Chargen, vom sterbenden Briefträger über den Katzenvater bis, .zum , Kellner von Sauerbruchs Stammlokal — alle Lesebuchlarmoyanz, zu der solche legendäre Züge neigen, mühelos überspielend. Balsers Sauerbruch vollends ist eine großartige Leistung, eine gewissenhafte Studie bis in die Maske und Körperhaltung, ein bärbeißigbulliger Geheimrat, eine Herrennatur mit dem gütigen Herzen eines Kindes, preußisch-fromm und von strammem Humor, mit einem Schuß Pastor und Philosoph, der auf die himmelzugewandte Bach-Kantate „Unser Leben ist ein Schatten" die erdenfrohe Weisheit hinzusetzt, daß es auch viel, viel Licht habe. Sehr, sehr schön und reif die Rolle der Selbstmordkandidatin Heidemarie Hatheyers, in ihrer Errettung aus letzter leiblicher und seelischer Not eine Art passiver Kontrapunkt zur zähen Tat Sauerbruchs. — Ein anspruchsvoller und zugleich volkstümlicher Film. Eine der besten Aerztebiographien der Filmgeschichte, die immerhin von Pasteur über Koch zu Pirogow reichen.

Der (ost) österreichische Girardi-Film „Der Komödiant von Wien“ hat in Karl Paryla einen durchschnittlichen Drehbuchautor und Regisseur, aber einen großartigen Hauptdarsteller ge funden. Viele von Drehbuch und Regie her forcierte Ueberbelichtungen des „Revolutionären" in Girardi, das in Wahrheit mehr allgemein bitterem Lebenssarkasmus als spezifisch gesellschaftlicher Opposition entsprang, erscheinen durch das Instinktspiel des Vollblutkünstlers und Volksschauspielers Paryla, wie Wien derzeit kaum einen zweiten besitzt, gemildert. So gewinnt beispielsweise die Szene des Todes der Mutter peer- gyntsche Größe — nicht zuletzt durch Alma Seidlers wunderbar verhaltenes Spiel. Auch für die Gallmeyer, Geistinger und Schratt standen in Christi Mardayn, Marianne Schönauer und Vilma Degischer Persönlichkeiten zur Verfügung; leider nicht auch für die unheilvoll zentrale Figur der Odilon, aus der Angelika Hauff nicht den Dämon eines Lebens, sondern nur eine flittchenhafte Seitenspringerin macht — hier fehlt uns heute der Typ der Maria Orska oder Ida Roland, der allein der nervös-genialischen, im großartigen Spiel wie in der versengenden Wirkung auf ihre persönliche Umgebung furchtbaren Frau gerecht werden könnte.

Einen großen stofflichen Entwurf, Leben, Leidenschaften und Untergang eines amerikanischen mißratenen Patriziersöhnchens und einer Halbblutindianerin, steuert King Vidor in dem amerikanischen Film „Duell in der Sonne" in einen grellen, blutigen Effekt. Der imposanten Besetzung und der prunkvollen Inszenierung stehen ein gefährlicher Amoralismus und ein Hang zu unnatürlicher Grausamkeit gegenüber, der geradezu körperlich anekelt; der Schurke Gregory Pecks ist beispiellos. Und Jennifer Jones! Diese einstige Film- Bernadette hat den Teufel im Leib. Unangenehm fallen die schroffen Rassegegensätze auf — und die in einem Film aus der Produktion David O.

Selznicks, eines Mannes, dessen großzügige Preisstiftung alljährlich die Völker Europas zu VeN ständriis und Versöhnung aufruft... !

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung