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Des Filmes AEIOU

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Oesterreichs bedeutende Beiträge zur Filmliteratur sind an den Fingern einer Hand abzuzählen. Um so schwerer wiegt eine Publikation, die (nach Rudolf Oertels erstem Versuch in „Macht und Magie des Films“) nunmehr die Geschichte des österreichischen Films und seiner Persönlichkeiten in enzyklopädischer Form vorlegt: „Kleines Filmlexikon des österreichischen Films“, herausgegeben und redigiert von Dr. Ludwig Gesek, unter Mitarbeit von Otto W1 a d i k a u. a. (erschienen als Heft 22—30 der Zeitschrift „Filmkunst“, Kommissionsverlag und Auslieferung für den Buchhandel: Oesterreichischer Bundesverlag, Preis 70 S). Des Schweizer Jesuiten Charles Reinert „Kleines Filmlexikon“, übrigens schon wieder ein Dutzend Jahre alt und ergänzungsbedürftig, ist bis heute die einzige deutschsprachige Gesamtenzyklopädie des Films geblieben. Klar, daß sie Oesterreich nur am Rande oder in den, freilich intensiven internationalen Strahlungen seiner Persönlichkeiten in den Griff bekam. Es war nicht abzusehen, wer sich der Sisyphusarbeit unterziehen würde, diese Lücke zu schließen und Film-Oesterreich ausschließlich in den Mittelpunkt der Darstellung zu rücken. Dr. Ludwig Gesek, der sich 30 Jahre lang der Filmwissenschaft, Kritik und Volksbildung verschrieben hat, hat es gewagt. Das Ergebnis ist erstaunlich. Wie wir „einen Zglinicki“ für die Urgeschichte des Films, einen Fraenkel und Sadoul für die Gesamtgeschichte und einen „Ford“ für den religiösen Film haben, haben wir nunmehr auf Jahre hinaus einen „Gesek" für Oesterreich. Kein Forscher, Kritiker und Volksbildner wird an ihm vorübergehen können: an dem klug gerafften, 20 Seiten starken Sachlexikon, das unter anderem eine zusammenfassende „Geschichte“ und ein Gesamtverzeichnis aller Filmdissertationen seit 1923 enthält; an den 71 Seiten Namen von Abel bis Zusanek, die den ehrenvollen Anteil von Oesterreichern am technischen und künstlerischen Fortschritt des Films, aber auch das erschütternde Drama unseres kulturellen Ausverkaufes aufreißen: an den folgenden 100 Seiten mit allen Spiel- und Kulturfilmen seit 1945 und schließlich an der Bildergalerie unserer Großen von Stampfer, Uchatius und Musger über Kolowrat, Korda und Kertesz bis zum „jüngsten Tag". Da in diesen Tagen graue Sorgen-wölken am Rosenhügel österreichischer Leistungen und Hoffnungen aufziehen, mag ein Blick in diesen Spiegel Trost und Mut spenden: Aller Ehren ist (auch Film-) Oesterreich voll. Gestern.' Und morgen wieder einmal.

Ein gutes halbes Leben hat auch der Linzer Ferdinand Kastner der Filmpraxis und Filmerziehung, dies besonders auf dem immer noch so steinigen und unkrautübersäten Acker der katholischen Film- Volksbildung, gewidmet. Eine reife Frucht dieses Blühens, Wachsens und Reifens ist sein Büchlein „Der Film in der Volksbildung“, 144 Sei-

ten, Preis 24 S, Verlag Stiasny, Graz, zu beziehen auch durch die Katholische Filmkommission, Wienl, Wollzeile 7. Es ist eine Freude, das Bjichlein in die Hand zu nehmen. Temperament formt seine frische, klare Sprache, Wissen und Erfahrung seinen Inhalt. Kastnßrs „Methode der filmkritischen Betrachtung" scheint mir irgendwie der klassischen Technik Fritz Kempes („Film — Technik, Gestaltung, Wirkung") zu folgen, ein erstaunliches Filmszenengedächtnis stützt schlechtweg jede These. Das Exempel einer Filmanalyse („Der Abtrünnige“) ist brillant, die „summa theologica", S. 71 ff., vorbildlich. Der Bilderteil ist leider nur fragmentarisch.

Es kommt nicht eben häufig vor, daß sich ein Filmbuch äußerlich harmloser, schnodderiger gibt als es ist (der umgekehrte Fall ist häufiger). Arthur Maria Rabenalt s, des alten Filmhasen, Büchlein „Die Schnulze, Capriccios über ein sämiges Thema, garniert von Charlotte Flemming, mit einem musikalischen Anhang von Bert Grund und Walter Brandin, 76 Seiten mit 12 ganzseitigen dreifarbigen und 14 ein- und zweifarbigen Zeichnungen. Einmaliger Schnulzenpreis 9.99 DM“ gehört dazu. Was da etwa über den Heimatfilm als Fluchtform des Nationalismus und Ausbruch aus der Verstädterung, über die nicht verschnulzte Operette oder den sehr ver- schnulzten religiösen Erbauungsfilm gesagt wird, ist enorm gescheit. Schade, daß sich Illustration und Ausstattung des Büchleins selbst verdammt einmaliger Schnulzenform nähern. Aber auch (oder gerade?) in dieser Hofnarrenweisheitsform wird das Buch seinen Weg machen.

Ueber den Größten des russischen Films werden wir uns künftighin wohl oder übel bei A. Marjamow: „Pudowkin" (Henschel-Verlag, Ost- Berlin), informieren müssen. Das ist einerseits erfreulich, denn das biographische und filmographische Material ist reich und verläßlich; anderseits betrüblich, denn der linientreue Schwulst rundherum ist einfach unerträglich.

„Film und Jugend“, Heft 8, aus der Schriftenreihe des Landesjugendreferates Niederösterreich (Redaktion: Direktor Karl Bäuerle), ist noch dichter und reicher als seine Vorgänger. Der Aufmarsch der 21 Autoren ist imposant. Ausführliches Diskussionsmateria für 30 Filme füllt ganze 60 Seiten. Das ist modernste angewandte Pädagogik.

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