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Die Burg am Bodensee
(der für ihre silbrig-zarte Stimme etwas zu „dick“ ist). Vom ersten Takt an — „O ihr Herren, o Unwerten, großen reichen Herren all’! Braucht in euren schönen Gärten ihr denn keine Nachtigall?“ — begann sie aufs reizendste und natürlichste zu agieren (was Liedersänger im all- igemeinen nicht sollen). Aber ihre Schauspielerei hat etwas so Kühles, Kluges und Distanziertes, daß man seine ungetrübte Freude dran haben konnte. Außerdem trug sie das schönste Kleid, das wir seit langem auf einem' Konzertpodium gesehen haben: jugendstilmäßig in blaßrosa, was Kenner als „champagnerfarben“ bezeichneten. — Daß wir’s nicht vergessen: auch an beseeltem Ausdruck und Wohlklang der Stimme fehlte es nicht. Als Begleiter hatte sie einen älteren weißhaarigen Herren mitgebracht, der wie ihr Korrepetitor oder ehemaliger Lehrer wirkte — und der sie bei den Zugaben mehrfach im Stich ließ. Aber wie sie auch das meisterte und ins Heitere bog — das allein lohnte den Abend.
Fritz Wunderlich, dessen Liederabend krankheitshalber um zehn
Nach der sehr reserviert auf- genommenen Welturaufführung „Attilas Nächte“ war dem Wiener Burgtheater bei den heurigen Bregenzer Festspielen zweimal die Möglichkeit gegeben, das Publikum zum Mitgehen zu zwingen. Zunächst riß „Der Schwan“ von Franz Molndr zu Beifallsstürmen hin. Wohl ist die Handlung etwas verstaubt; es wäre sehr schade, wenn die heutige Jugend glaubte, die Schichte, die einst ein komplexes Fünfzigmillionenreich regierte, wäre so verteppt gewesen, wie sie hier wirkt. Der Liberalismus des Hauslehrers (Erich Auer) klingt heute etwas hohl. Um so stärker kam Fred Liewehr als der priesterliche Bruder der Prinzessin, die unbedingt ihr angejahrtes Töch- terchen auf den Thron bringen will, zur Geltung. Adrienne Gessner verstand es, did geltungssüchtige Mutter echt und unkarikiert auf die Bühne zu bringen; ihr Spiel war der eigentliche Genuß des Abends. Robert Lindner zeichnete den Thronfolger verhalten,-und doch innerlich, während Lüly Stepanek als die Prinaessinflnutter echte Weiblichkeit strahlte. So führte dieser Abend in eine versunkene, auch in ihren Schwächen sympathische Welt.
Grillparzers „Traum ein Leben" wirkte zunächst durch das großartige Bühnenbild von Lois Egg, das tatsächlich eine Traumwelt vorgaukelte. Leider überschrie Walther Reyer (Rustan) wieder einmal seine Rolle, so daß manche Feinheit des Textes verloren ging. Wolfgang Gasser als Zanga kam besser heraus. Ganz vorzüglich wirkten Fred Liewehr in der Doppelrolle des Massud und des Königs von Samarkand, ebenso Erika Pluhar, der die Wandlung von der sanften Mirza zu der zum Herrschen geborenen Gülnare ausgezeichnet glückte. Die Unter- gründigkeit Grillparzers, das Lebensechte und das Verworrene eines Traumes in eine Handlung zu umschließen, erzielte eine faszinierende Wirkung, so daß Grillparzers Bekenntnis vom inneren stillen Frieden und der schuldbefreiten Brust, von der gefährlichen Größe und dem leeren Spiel des Ruhms nicht als „klassisches Zitat“ oder als Lesebuchvers herauskam, sondern als Erkenntnis eines der Großen im Reiche des Gei-, stes und zugleich des am stärksten österreichischen unter den Dichtem.
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