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Die Wahrheit nicht verschweigen

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TABUS DER KIRCHENGESCHICHTE. Notwendige Wandlungen des Urteils. Von Max Kühner. Glock-und-Lutz-Verlag, Nürnberg 1864, 126 Seiten.

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TABUS DER KIRCHENGESCHICHTE. Notwendige Wandlungen des Urteils. Von Max Kühner. Glock-und-Lutz-Verlag, Nürnberg 1864, 126 Seiten.

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Kühner schreibt als Historiker und Laie, nicht als Theologe; als Historiker, dessen Aufgabe vorab das Papsttum in seiner Größe und irdischen Erscheinung ist, als Laie, der voraussieht, daß er von der theologischen Fachkritik als unzuständig bezeichnet werden wird. Sein Anliegen ist folgendes: Die künftigen Kirchenhistoriker dürfen die Mißgriffe der Kirche nicht verschweigen und verharmlosen. Er nennt vor allem die 22bändige Papstgeschichte von Pastor, in der ein Riesenstoff zusammengetragen ist mit Fleiß und Gelehrsamkeit, aber viele politische Mißgriffe der Kirche verschwiegen werden; dagegen tritt er für Friedrich Heer und dessen Geschichtsbild ein und für Joseph Schmidlin, der das Werk Pastors mit fast halsbrecherischer Offenheit über die „integralistische Verschwörung“ unter Pius X. bis zum Tod Pius XI. fortgesetzt hat.

„Das erste Gesetz der Geschichtsschreibung ist, nichts Falsches zu behaupten, die Wahrheit nicht zu verschweigen und schließlich nichts zu berichten, das den Verdacht des Wohlwollens oder der Verschleierung erweckt.“ Diesen Grundsatz Ciceros wählte der große Papst Leo XIII., als er das Vatikanische Geheimarchiv freigab. Und so bat Papst Paul VI. alle um Verzeihung, die sich in der Geschichte je durch die Kirche gekränkt gefühlt haben.

Soll Kirchengeschichte auch heute noch nach dem gewohnten Schema negativ und kuriai und dadurch begrenzt geschrieben werden und weiterhin als Entschuldigung für schlimme Dinge den Zeitgeist heranziehen? Mit Recht nennt Kühner als Beispiele einer nicht bloß apologetischen Geschichtsschreibung Seppelt Und besonders das in fünfter Auflage erschienene Werk von Joseph Bemhart „Der Vatikan als Thron der Welt“. Aber solche Kritik höre man ungern. So könne es auch nicht anders werden in der Geschichtsschreibung. Die Tabus, die heißen Eisen sind für Kühner: Kreuzzüge, Hexenprozesse, Inquisition und besonders Päpste der Renaissance. Aber hier vergißt er, daß schon Gustav Schnürer die Hexenprozesse durchaus nicht verharmloste, vergißt auch, daß der mit Recht ungeheuer erfolgreiche Joseph Lortz in seiner Geschichte der Kirche (21 Auflagen) wohl das Negative der Kreuzzüge sieht, aber auch das Positive; in ihnen berühren sich abendländische Kultur mit dem Osten und die europäischen Völker untereinander, und betont, daß ein so großer Heiliger wie Bernhard von Clairvaux Kreuzzugsprediger war, der sicher nicht Macht und Abenteuer, sondern vorab das religiöse Anliegen suchte. Lortz beurteilt eben die Menschen nicht von heute aus, sondern als echter Historiker aus ihrer ganz anders gelagerten Zeit. Aber von der Inquisition sagt auch Lortz: „Sie war eine fürchterliche Einrichtung.“ Schon vor 20 Jahren hat Dr. Willy Lorenz das Richtige am Grundanliegen Kühners mit Geist und Wissen und in der Vornehmheit und Klarheit des wahren Kirchenhistorikers ausgesprochen und jetzt in seinem neuesten bei Herold in Wien erschienenen Buch „Petrus, der ewige Papst“ niedergelegt.

Das Zweite Vatikanum hat dieses Anliegen erfüllt, Franzen in seiner .Kleinen Kirchengeschichte“ (Herder, Freiburg) wahrgemacht.

Tiere geschüttet und dann ihre Reaktionen aufs Genaueste zu beschreiben gewußt?

Sollte die Perspektive von unten, die nicht von ungefähr auf den Zwerg Oskar der Blechtrommel weist, eines der Kennzeichen des neuen Romans sein? Es steht jedenfalls zu befürchten, daß bald auch der letzte Leser den neuen Roman, und sei es der neueste, aus der Hand gelegt haben wird, bevor noch jemand herausgefunden hat, wie er beschaffen sein soll.

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