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Die Wiener Oper in Paris

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Paris, Anfang April Österreich hat Mozart als seinen Botschafter nach Paris gesandt und ihm die Künstler der Wiener Oper als Interpreten mitgegeben. Die Wirkung dieser Botschaft übertraf die höchstgespannten Erwartungen. An allen Abenden ein ausverkauftes Haus. Notsitze neben, zwischen und hinter den Fauteuilreihen, Zuhörer auf dem sogenannten „plateau“ (hinter den Kulissen), so daß die Sänger und die Sängerinnen Schwierigkeiten beim Auftreten und Abgehen hatten. Ungewöhnlich hohe Kartenpreise an den Schaltern, märchenhafte Forderungen auf dem Schwarzen Markte. Jedesmal Sendung durch Radio Paris, B. B. C. und amerikanische Stationen. Erläuternde Vorträge des ausgezeichneten Kunstkritikers Charles Oulmont. Nach jeder Arie, nach jedem Akt und am Schluß der Vorstellungen ein Jubel, der kein Ende nehmen wollte. Das Theätre des Champs Elysees hat seit den Tagen Schaljapins und Nijinskys nichts Ähnliches mehr gesehen. In „New York Herald Tribüne“ drei Referate, das letzte drei Sp'alten lang. Das zusammenfassende Wort in „Le Matin“: „Josef Krips hat sich um die Musik wohlverdient gemacht, und die Pariser haben sich selbst geehrt, indem sie ihm das so deutlich kundgegeben haben.“ Die absolute Leistung der Wiener war so unbestreitbar und unbestritten, daß kein Vergleich die Anerkennung erhöhen konnte. Es haben sich ein paar Landsleute zu dem Urteil oder zur Weitergabe des Urteils verleiten lassen, es werde der Pariser Oper jetzt schwerfallen, Mozart wieder zu spielen. Die Wiener Oper sei eben doch jeder andern überlegen. •Die Pariser Oper hat „Don Juan“ danach am 23. März gespielt. Die zwei oder drei Rezensenten, die den Vergleich angestellt haben, verteidigten begreiflicherweise ihre heimatliche Oper.

Wie groß die Aufnahmsbereitschaft für die Schätze österreichischen kulturellen Lebens in Frankreich ist, beweist schon die Tatsache, daß das Pariser Gastspiel der Wkner Oper kaum zwei Jahre nach diesem Kriege möglich war. Allerorten gibt es Patrioten, die Ihren Patriotismus nicht hesser als durch Ablehnung alles Fremden beurkunden zu können glauben. Und daß die deutsche Sprache den Parisern durch die innige Berührung mit der deutschen Besatzungsmacht sehr „fremd“ geworden ist — wem wollte das wundernehmen! Manche Freunde Österreichs sahen denn.auch das Experiment einer Aufführung mit deutschen Texten als verfrüht und gewagt an. Wenn einer der Zuhörer Bedenken gehabt haben sollte, als er an Stelle des „Notte e giorno“ das „Keine Ruh bei Tag und Nacht“ vernahm, so war er doch schon nach der Registerarie versöhnt und bekehrt. W i e bekehrt, das lehrte dann die Aufnahme der Melodien Johann Strauß' beim großen Konzert des Wiener Philharmonischen Orchesters. Wir hätten gemeint, daß der Wienerwald nur uns „G'schichten“ zu erzählen hat, daß nur uns die schöne blaue Donau zum alten Steffel geleitet und nur uns der Radetzkymarsch im Lager „Österreich“ zusammenführt. Als die Geigen zu singen begannen, da sahen auch die Pariser das sonnbeglänzte Rebengelände vor den Toren Wiens und erlebten auch sie ein wenig Österreichs Geschichte und fühlten Österreichs Herzschlag.

Die Wiener Oper in Paris — das war wirkliche Kulturpropaganda.

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