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Du sollst kein falsches Zeugnis geben
Stumm wird der Mensch, schwindet der letzte Freimd. Jegliches Wort ist auf Antwort gemacht. Nur der Schrei, Der erschrockene und der des Entzückens, Fällt in die Brust zurück.
Aber die anderen, die meinenden Worte, Sie sind dein Teil an den Nächsten, Heischend des Nächsten Teil, Und noch im Schweigen ist Zuspruch und nah der Gefährte.
Immer ist Welt im Gespräch, aus dem Vergangnen geholt, Zur Stunde berufen und in die Zukunft gezielt.
Als seien aus Luft sie gemacht, eilen die Dinge herbei.
Die Hände ruhen im Schoß, Was am Tag sie begriffen will in begreiflichem Sätzen Feierabends ins vertrauende Ohr.
Im Hause über der Schmiede, zuoberst, ist ein Fenster noch wach Und hinter dem Fenster das Mädchen: es liest seinen Brief, Einzeln schmeckt es die Worte und fühlt, Daß die Kammer zu eng ist und läßt die Nacht ein, Die draußen wartet mit Sternen.
So lesen viele jetzt, da es Nacht ist, Und sind offen den stillenden Worten.
Andere gehen bekümmert.
Es trieb sie hinaus die gefürchtete Nachricht, Oder Zwietracht, vielleicht Gelächter, Oder ein Wort, leichthin geredet, das aber schwer ward. Als es aufs Herz traf.
Herrl sagt dann mancher und entblößt das Haupt und bebt. Und der Vater erhört ihn und tut die Hand auf die Wunde.
Ordnung vermag ein Gespräch,
Wenn es der Meinung gerecht und gerecht die Meinung Und das Bild vom Ding treu dem Ding ist Vertrauen eint die Genossenschaft, Für jedes Anbot ist jedem der Bietende gut.
Firmt sie der Geist des Wahren,
Bleibt auch in fremden Zungen verständigt das Menschliche Und buchstäblich das Wort und verbürgt, Weil besiegelt zu Sinai.
Aber der Aufstand des Bluts,
Begehrlicher Pulsschlag und schwärzende Ängste, Das Untertänige und die Sucht, Untertanen zu haben, Niederlage und Scham, die Lockung des Beifalls der Menge — Leicht fügt sich die wendige Zunge Und borgt vom Ansehn der Worte, Da im mißbrauchtesten noch Gedenken wach ist des frommen Gebrauchs.
Vergiftet siechen von Mensch zu Mensch die Bezüge;
An den Rändern des Lärmschwalls lauscht das Gehör entlang Und rätselt und sucht im Verschwiegenen.
Unruh tickt im Gemäuer, selbst die Erzählung des Sohns Übertönt nicht das Flüstern der Schlange, Und Eide, eilig zu Münze geschlagen, schänden das Kreuz.
O Sprache, darein ein Zeugnis gehüllt ward, Falsch und ränkevoll wider den Nächsten! Sie birgt den verdünnten Tod, Der durch das Ohr mitten ins Herz rinnt. Die Wurzeln des Mißtrauens netzt
Und aufsteigt wieder und bitter im Mund bleibt.
Läßlich dünkt manchen ein Wort, geredet im Zwielicht:
So schlendert die Kundschaft voraus des roheren Frevels.
Denn immer mit Lügenruten geschlagen,
Duldet das Menschenbild,
Langvor die Trommel schlägt
Zum letzten, ehernen Schlag.
O daß anders nie.
Als widertönend vom Herzton
Ertöne des Menschen Mund,
Anders nie, als in Gottes Wind
Schwängen die Saiten!
Aus; Der Dekalog. Zehn Oden. Verlag Dr. G. Borotha-Schoeler, Wien
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