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Glanz des Klassischen
Goethes „Egmont” im Burgtheater. Eine Aufführung, die Kraft und Schwäche unserer ersten Staatsbühne anzeigt. Dieser von Emst Lothar inszenierte Burg- „Egmont” ist primär, ja einzig und allein Schauspiel um ein geniales Individuum, um den jungen Goethe, der in der Maske des historisch zwielichtigen frondierenden Adelsherrn Egmond, Graf von Lamoral, Fürst von Gavre sehr persönliche Erfahrungen in Liebeslust und -leid und sehr persönliche Ansichten über Staat und politische Ordnung zu Bild und Wort formt. Der junge Goethe, im Übergang vom Sturm und Drang in den Dienst an den großen Ordnungen: frühes Weimar, Italien. Traumgebild eines Individualisten, dessen Credo seiner Selbstverwirklichüng gilt. In diesem Sinne dehnt die Neuaufführung der Burg die Klärchenszenen aus, weitet sie und vermag, dank der hohen Kunst der Frau Gold, mit ihnen auch wirklich Staat zu machen. Lyrismen, hauchzarte Schwebungen im Innenraum der Seele. Kult der „schönen Seele”, die, ein funkelnder Becher, sich selb genießt. Nun besitzt aber Goethes „Egmont” doch noch eine andere Seite. Schiller hat sie, in seiner Bühnenbearbeitung, bereits scharf zu akzentuieren versucht: der Kampf der Niederländer, eines kleinen Volkes, wider Gewissenszwang und Terror der spanischen Besatzungsmacht, des führenden absolutistischen Großstaats der Alten Welt, bietet eminente politische Aspekte und Perspektiven. Diese waren bereits vor 150 Jahren für Schiller gegeben — fehlen sie völlig dem Österreich von 1948? Jawohl, denn: mit einer Instinktlosigkeit sondergleichen, mit einem sich vornehm gebenden Desinteressement, das in Wirklichkeit nicht anderes ist, als ein Unvermögen, unsere Zeit geistig zu sehen und um ihre Bewältigung zu ringen, in der Form und im Haus der hohen Kunst, wird das Volk zur lächerlichen Staffage, werden die großen politischen Potenzen (Statthalterin, Alba) zu skurril-bizarren Charakterfiguren herabgedrückt. Da |tehe® sie nun, statisch-verfrorene Hampelmänner, diese Herden von Statisten auf der Bühne herum — wo ist der Schäfer, der sie weidet? arme Schelme und Käuze, verunglückte Till-Eulenspiegėl-Figuren, wie weit aber von Costers visionärer Schau des „armen Volkes” dieses Landes entfernt! Daß „Freiheit” nicht nur Lust, Wunsch und Preis eines hohen Spiels höher Herren — wie dieses Egmöhts sondern auch Gebot, Not — und oft Tod — des Volkes, ja der Völker bedeutet, wird in dieser Aufführung in keiner Weise kundgemacht. Obwohl Beethovens Musik sie ins Überpersönlich-Allgemeine heben, zu einer- Liturgie ewig-sinnbildlichen Geschehens’ weihen will. Es bleibt also e i n starker, klingender Ton, der um Graf Egmont und sein Klärchen schwingt. Dies ist viel — und doch zuwenig für eine Ne u aufführung, die den vollen ganzen Gehalt unserer klassischen Meisterwerke dem Bewußtsein der Gegenwart erschließen will.
Auf eine kleine Kostbarkeit und Köstlichkeit sei nachdrücklich verwiesen. Die Insėl hat eines der schönsten deutschen romantischen Märchen, Brentanos „G o c k e 1, Hinkel -und G a ekel eia” in einer Dramatisierung durch V. G o g o 1 a, der auch Regie führt, zur Aufführung gebracht. Für die Kleinen, mehr aber noch, so dünkt uns, für unsere Großen. Dieses Kunstmärchen läßt nämlich noch so viel Seelenkundiiches durchschimmern im Silberspiegel der Poesie, daß es eine wahre Freude zum Bedenken und Besehen ist! Morgenfrühe der Menschheit (alle Kreaturen sind durch magische Bande verbunden), Mittelalter und Hochbiedermeier treffen sich hier auf dem Lehenshof des Ritters Gockel, im bunten Spiel der Masken, die hier noch tieferes Sein bedeuten.
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