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Gottesbegegnung im Du

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Ich bringe Ihnen die Grüße der Evangelisch-Theologischen Fakultät, die sich auf intensive Verbindungen mit dem Zentrum freut, auf Verbändungen in Gesprächen, Diskussionen und in akademischen Gottesdiensten. Drei Gedanken bewegen mich heute:

• Ich denke an die Bedeutung des architektonisch wohlgestalteten Raumes. Räume sind nicht stumm. Räume sind nicht zufällig. Räume wirken. Hier ist der Versuch gemacht, Räume zu gestalten, die eine Weite, eine Offenheit symbolisieren. Es sollte ein Zentrum entstehen, das dem jungen Menschen zuerst echte Geborgenheit vermittelt, dann aber sofort weite Horizonte eröffnet. Schauen Sie sich einmal in der Dämmerung oben im Hof um: Sie sehen architektonisch ganz klare Strukturen mit bestimmten Licht-und Raumeffekten und zugleich das pulsierende Leben junger Menschen in den einzelnen Stockwerken. Daneben stellen wir freilich auch Kompromisse fest, über die sich bei mir ein temperamentvoller junger Architekt vor einigen Tagen viel kritischer äußerte, als das in den bisherigen feierlichen Reden zum Ausdruck kam.

• Die Gestaltung des Zentrums dient dem jungen Menschen. Tun Blick auf ihn ist ein anspruchsvolles Programm erarbeitet worden, das nun als Aufgabe vor uns allein steht. Man sprach vom Offenen Haus, das kühne Kontakte schafft über Sprachen, Disziplinen, Rassen und Konfessionen hinaus. Jeder ist hier willkommen. Man sprach vom Zentrum, das Fakultäten und Disziplinen, das Studenten, ausgebildete Akademiker und Gemeinde zusammenführt. Man sprach vom gemeinsamen Leben, und was ist damit nicht alles angedeutet. Zum gemeinsamen Leben gehört das ganz Zentrale, etwa der Gottesdienst, und das scheinbar Alltägliche, etwa das gemeinsame Essen und Trinken. Es gehört dazu die anspruchsvolle Diskussion und die Fröhlichkeit.

Dem jungen Menschen gilt es dieses gemeinsame Leben zu verschaffen! Das ist etwas Großes, weil wir gerade oft von lustigen und lebendigen jungen Menschen plötzlich hören, eigentlich seien sie doch einsam in der Masse der Studenten, Isoliert und begegnungslos. Wie führen wir den jungen Menschen zur Gemeinschaft, ohne daß er das Gefühl hat, er werde nun unmündig gemacht, er werde „eingeplant“? Wir sind froh, daß wir es in der Regel mit einer nüchtern-aufgeschlossenen

Generation zu tun haben, die skeptisch ist gegen Schlagworte, die aber doch vernünftige Vorschläge sachgemäß diskutiert.

• Man erwartet vom Theologen, daß er jetzt auch vom Evangelium spricht. Ist es schockierend, wenn ich sage: ich habe schon davon gesprochen. Ist der Mensch, der gestaltet, der von einer Utopie her die Gegenwart um einer neuen Zukunft willen verändert, ist dieser Mensch nicht darin schon der vom Evangelium gewollte Mensch? Ich denke an Stichworte, die heute dem Theologen Wichtig sind. Rechtfertigung heißt Einsetzung des Menschen in eine mündige Sohnschaft vor Gott. Seine Aufgabe, die technische und künstlerische Gestaltung der Erde, das ist umgesetzte Rechtfertigung. Wir brauchen nicht „flach-protestantisch“ gegen die guten Werke zu sein, wenn unsere Werke nur Zeichen aufrichten auf den Geber aller guten Gahe hin.

Und noch einmal: Ich habe schon vom Evangelium gesprochen, denn ich sprach von der Aufgabe, echte Gemeinschaft zu verschaffen. Martin Buber sagt: „Wir harren einer Theophanie (Gotteserscheinung), von der wir nichts wissen als den Ort, und der Ort heißt Gemeinschaft.“

Viele fragen heute: Wo ist Gott? Buber antwortet: Gotteserscheinung, das ist das Bestehen der Aufgabe der Gemeinschaft. Buber ist ja auch der Meinung, jedes „geeinzelte Du“ sei Durchblick zum „ewigen Du“. Wer also die Verantwortung vor dem Du trägt, dem begegnet Gott. Wer sich in dieser Aufgabe vom Du beschenken läßt, der läßt sich von Gott beschenken. In dieser Aufgabe liegt das Experiment des Lebens, in dem wir ja auch oft versagen. In unserem Versagen dürfen wir freilich wissen: Auf Weg und Irrweg gibt es die Begleitung des menschenfreundlichen Gottes, der uns immer wieder den neuen Weg anbietet. Darum haben wir es gewagt, nur vom irdischen Du zu sprechen, das wir aber transparent sehen, transparent auf das ewige Du hin.

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