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IM STREIFLICHT

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PEINLICHER denn je macht es sich in Zeiten internationaler Kun6tfeste und Festspielwochen bemerkbar, daß es immer noch keine österreichische Kulturorganisation gibt, die die Rolle des Auskunfterteilenden oder des Propagandisten spielen könnte. Ein Fremder hat Mühe, 6ich in Wien über die wichtigsten kulturellen Veranstaltungen zu unterrichten — niemand vermag ihm zu sagen, welche Vorstellung in welchem Theater er sich an- sehen, welche Ausstellung er besuchen soll, um die Eindrücke zu erhalten, die er sich wünscht, und die w i r ihm — in unserem Interesse — wünschen. Und Zeitungsleute erleben es immer wieder, daß Briefe aus dem Ausland Literatur über das kulturelle Leben Österreichs seit 1945 verlängern aber es bedarf beträchtlichen Geschicks, solche Literatur aufzutreiben. Wo ist die Broschüre, die knapp und klar und zusammenfassend Auskunft über den Stand und die gewiß nicht geringe Kapazität de6 geistigen Schaffens Auskunft gäbe? Nur für kurze Zeit gültige Festwochenschriften können dem Mangel nicht abhelfen.

IN einer Pressekonferenz der Ravag wurde über die Hörspieltagung der österreichischen Sendergruppen in Schloß Graschnitz berichtet. Fünf arrivierte und fünf junge Autoren waren eingeladen, sich mit der Materie des Hörspiels durch Vorträge und Beispiele vertraut zu machen. Sie werden nun je ein Hörspiel ausarbeiten, wofür sie ein Arbeits-

honorar von 1000 Schilling und im Falle der Brauchbarkeit eine Gesamttantieme von 2400 Schilling erhalten, ein für österreichische Verhältnisse beachtlicher Betrag. Damit soll versucht werden, dem fühlbaren Mangel an echten Hörspielen abzuhelfen und die Autoren für diese Kunstart zu gewinnen.

COCTEAU hat anläßlich eines kurzen Be- sudies im Lokal des Wiener Art-Clubs die freundliche Bemerkung fallen lassen, daß er gerne seine Unterstützung geben würde, wenn Wiener Maler einmal in Paris ausstellen wollten. Eine liebenswürdige Geste, die mit Dank zu verzeichnen ist. Die Frage bleibt weiterhin offen: Wo ist die österreichische Stelle, die österreichischen Malern behilflich wäre, wenn sie in Pari6 au66tellen wollten?.

DIE Wiener Dichterin Ilse Aichinger hat bei einer gemeinsam vom Nordwestdeutschen Rundfunk und der bekannten „Gruppe 47 veranstalteten Tagung deutscher Dichter einen Prei6 von 2000 DM bekommen, was für die neue österreichische Literatur zweifellos eine Auszeichnung, ist. Bleibt also nur zu fragen: Wo sind die Kritiker, die sine ira et studio verzeichnen würden, daß ein junger Österreicher Erfolg hat? Denn an den Dichtern fehlt e6 uns nicht…

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SCHADE, daß sich hier die kommerziellen und die Interessen der Kunstkritik allzusehr überschneiden: reizvoll wäre es schon, die Auslagenarrangements der Inneren Stadt einmal nach kunstkritischen Regeln zu untersuchen. Es gibt wahre Künstler unter diesen Schaufenstergestaltern, Künstler, die ihren eigenen Stil gefunden haben — manche von ihnen könnten sich getrost mit den Malern auch guter abstrakter Bilder messen —, und bisweilen gleichen die Schaufen6terfronten etwa der Kämtnerstraße weit eher einer „Galerie der Straße als die Plakatwände, denen man diesen Titel so gerne beizulegen pflegt. Es war ein guter und anmutiger Einfall, diesen Arrangeuren einmal ein Thema zu gemeinsamer Behandlung vorzuschlagen -— es heißt bekanntlich „Wiener Operette“ —- und er hat charmante Ergebnisse gezeitigt. Man wiederhole diesen Versuch, der in anderen Weltstädten schon lange keiner mehr i6t — ein wenig Organisation und vorherige Absprache wird Übereinstimmungen und Eintönigkeit vermeiden —, und vergesse nicht, daß vor Jahre6fri6t ein Grazer Großkaufhaus mit nicht schlechtem Erfolg auch bildenden Künstlern einmal die Arrangements seiner Auslagen überließ…

EIN alter Fuhrwerkerweg war 6ie einmal: “ die Heiligenstädter Straße. Vorbei an alten Dörfern, Nußdorf, Heiligenstadt, Lich- tenthal zogen die Fuhrleute zur Haupt- und Residenzstadt Wien. Alte Einkehrwirtshäuser erzählen auch heute noch von diesen Tagen. Nahe einem von diesen stand bi6 vor kurzem auch ein alter Bildstock mit Betschemel, hart gedrängt an den festen Sockel der Verbindungebahnüberführung, so wie er einmal wohl zwischen Feldern und Wiesen am Wegesrand gestanden war; kein Kunstwerk, gewiß aber der letzte Gruß einer vergangenen Zeit. Die wachsende Großstadt hat ihn nicht bedroht, die Bomben verschonten ihn — nun hat er anscheinend die nahe Tankstelle gestört. Er ist verschwunden. Mußte das sein?

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