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IM STREIFLICHT

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DIE künstlerische Situation des österreichischen Kunstgewerbes scheint uns kritischer denn je zu sein.’ Einige Versuche, beispielsweise schönen, modernen und praktischen Hausrat zu propagieren, sind leider nicht fortgeführt worden: die rasch populär gewordene, sozialistischer Initiative zu verdankende Ausstellung „Die Frau und ihre Wohnung" führt bedauerlicherweise nur mehr ein Schattendasein im Messepalast. Das österreichische Museum — dem im übrigen durchaus unsere Sympathie gehört — hat sich seiner Aufgabe, dem zeitgenössischen Kunstgewerbe Vorbild und Richtschnur zu bieten, mehr und mehr entzogen. In den Geschäften und selbst in Fachblättem aber wird rat- und hilflos Ungenügendes und wohl auch Kitsch angeboten, angezeigt und verkauft. Heute kann man die Werkstätten, in denen ein allen Anforderungen entsprechender Hausrat erzeugt wird, fast schon an den Fingern abzählen — und die meisten davon gehen mehr und mehr auf Exportproduktion übeT. Die Bilanz ist nicht schön. Und es wird viel Anstrengung und der Initiative nicht nur der genannten Institutionen bedürfen, um die künstlerische und geistige Trägheit des gegenwärtigen österreichischen Kunstgewerbes zu überwinden.

ALS seinerzeit diie billigen Samstagnachmittagskonzerte der Sendergruppe Rot- Weiß-Rot mit den Wiener Philharmonikern angekündigt wurden, hörte man auch Bedenken anderer Könzertveranstalter gegen dieses „Dumping“. Denn mit dem (damaligen) Einheitspreis von 3 Schilling konnte niemand konkurrieren. Die Einwände wurden durch die Initiatoren -damit entkräftet, daß man versicherte, die Karten kämen nicht zum freien Verkauf, sondern würden zu zwei Dritteln durch den Gewerkschaftsbund verteilt. Also fürs arbeitende Volk, für die Berufstätigen, für Arbeiter und Angestellte. Dafür war auch die Zeit, Samstag nachmittag, vier Uhr, sehr geeignet. Nun beginnt man eine Stunde früher. Warum wohl? Viele kommen erst um eins, manche erst um zwei nach Hause. Dann bleibt bis zum Konzertbeginn noch eine Stunde für Essen, Umziehen und Weg. Oder man geht eben direkt vom Büro ins Konzert, so wie man angezogen ist. Aber gerade das wollen wir bei uns nicht einführen! Also — weshalb diese Vorverlegung?

DIE Anker-Uhr am Hohen Markt mit ihren schon lange nicht mehr an den Augen der Passanten vorüberwandernden Figurengruppen der Wiener Geschichte und Sage ist, in ihrer Art, durchaus das, was man als „Kulturdenkmal“ bezeichnet und ein recht liebenswürdiges Beispiel für die Heiterkeit und den Einfallsreichtum des Wiener Sezes- sionismus; außerdem hat sie künstlerischén Wert. Nun, die Uhr funktioniert seit Jahrzehnten nicht mehr: aber die öffentliche

Kunstpflege ist für sie, die ja einer Privatfirma gehört, nicht zuständig. Aber sie sollte repariert werden — auch als Reklameinvestition würde sich die Reparatur lohnen

DIE Wiener Stadtbahnstationen werden, nach und nach, restauriert — besser gesagt, sie werden gereinigt und neu verputzt. Dagegen wird gewiß niemand Bedenken erheben — es war höchste Zeit dazu. Was man hingegen bedauern könnte (ohne freilich das Recht zu haben, für das Gegenteil ausdrücklich zu plädieren), ist, daß man nicht daran dachte, die Gelegenheit zu benützen, den Stationen hier und dort ein wenig freundliche Modernität zu verleihen — und sei es nur mit etwas Farbe und Buntheit. Selbst der neuen unterirdischen Anlage an der Mariahilfer Straße, die wir — abgesehen von den fehlenden Himweistafeln und den schweren und unpraktischen Glastüren — gelungen finden, fehlt die gewiß ephemere, immer aber heitere und großstädtische Note, die schon ein geschickter Akademieschüler mit einigen Farbklecksen an die allzu nüchternen Wände zaubern könnte.

MEHR Licht für Wiens Straßen und Plätze ist eine schöne Devise. Also wäre auf diesem Gebiet gegen das Programm der Gemeindeverwaltung für das nächste Jahr kein Einwand zu machen, sondern im Gegenteil nur Beifall zu spenden — wenn nicht ja, wenn nicht auch die Ersetzung der alten Gaslaternen im Rathauspark und Stadtpark durch moderne Leuchtstoffröhren angekündigt würde. Moderne Leuchtstoffröhren, ausgezeichnet! Sie gehören in die zahlreichen, vom hastigen Leben durchpulsten Straßen der Großstadt. Auch auf dem Heldenplatz, über dessen Beleuchtung ein etwas bizarrer Streit zwischen Gemeinde und Staat eben zu Ende gegangen ist, mögen sie Aufstellung finden. Aber im Rathauspark? Paris ist bestimmt eine Weltstadt. Trotzdem flackern jeden Abend auf den Champs-Elysées noch immer die Gasbrenner auf und vermitteln den Besuchern den Zauber einer alten Stadt. Deshalb gebe man auch in Wien das Geld für ein besseres Projekt aus. Die alten Wiener werden dafür dankbar sein — und auch die jungen werden sicher nichts dagegen haben

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