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„Katja Kabanowa4 in Graz
Eines der wenigen Ereignisse im spannungsarmen Spielplan der Grazer Theatersaison stellte die Premiere von Janäceks „Katja Kabanowa" dar. Ein Jahr nach der österreichischen Erstaufführung in Linz kam das Werk nun auf die Bühne der Grazer Oper, und es zeigte sich, daß man es hier mit einem hochinteressanten musikdramatischen Opus von reizvoller Eigenwilligkeit zu tun hatte. Das Libretto basiert auf Ostrowskijs Sittenstück „Sturm“ und bringt unter Weglassung mancher Nebenelemente die Ehebruchstragödie der schönen Katja auf die Bühne, die Janäöek, ergriffen von der Gefühlstiefe und dem „slawisch Weichen“ des Stückes, in relativ kurzer Zeit vertont hatte. Seine Musik zeigt hier deutlich die beiden wichtigsten Wurzeln ihres Stils: die menschliche Rede, das durch seelische Regungen bedingte Sprachmelos — Rhythmus und Klangfarbe als Chiffren der Seele — und die musikalische Sprache von Janäöeks Heimat: mährischen Volkes Weise in denkbar eigenwilliger Orchestrierung. „Je- nufa“ ist reicher an musikalischen Ideen, das Spätwerk „Katja“ aber ist geschlossener, reifer, allerdings auch spröder.
In Graz hat Berislav Klobučar die Partitur, in der menschliche Leidenschaft und Bosheit in Musik gesetzt sind und herbe Lyrik slawischen Charme ohne falsche Süße verströmt, durch das Orchester in jener Transparenz erklingen lassen, die für Janäcek typisch und für eine Wiedergabe unbedingt erforderlich ist. Die Dekorationen Skalickis muteten in ihrer noblen Kühle beinahe klassizistisch an. Der extra für die Inszenierung herbeigeholte Belgrader Operndirektor Mladen Sabljič wußte jedoch weder mit dem Bühnenraum noch mit den Darstellern etwas Rechtes anzufangen, so daß sich der Eindruck peinlicher
Hilflosigkeit in der Personen- und Ensembleführung ergab. Die Titelrolle war mit der jungen Bulgarin Stefka Todorowa zureichend besetzt.
Zur „Ost-Welle“ des heurigen Spielplans gehörte auch Tschechows „Möwe“, die in einer recht stimmungsvollen Inszenierung Robert Casapiccolas im Schauspielhaus herauskam. Es mochte wohl an der zuwenig präzisen Durchinstrumentierung des Ensemblespiels liegen, daß die leise Monotonie des schönen Werkes zuweilen mehr langweilig als reizvoll wirkte. — Von dem Lustspiel „Heiraten ist immer ein Risiko“ des Iren Saul O’Hara ist nur zu berichten, daß es sich dabei um einen glänzenden Grundeinfall handelt, der aber sehr bald in krampfhaften schwarzen Humor zerflattert.
Der Dramaturg Günther Bauer vom Burgtheater inszenierte Schnitzlers „Anatol“. Er machte es ähnlich wie Ernst Lothar in Wien — er verwendete die später entstandene Szene „Anatols Größenwahn“. Die eine Hälfte dieses Epilogs machte er zum „Prolog“, und die zweite klebte er ans Ende. Auf diese Weise wurde die lose Szenenfolge (aus der übrigens drei Episoden gestrichen waren) zu einem Rahmenspiel, das ganz und gar nicht dem vagen, skizzenhaften Stil Schnitzlers entsprach. Einzelheiten gelangen dabei — für Grazer Verhältnisse — nicht einmal so übel. Ihren Glanz bekam die Aufführung vom Protagonisten: Jörg Liebenfels, gebürtiger Grazer, seit Jahren bei Hilpert und nun bei Schuh in Hamburg tätig, konnte für den Anatol gewonnen werden. Seine Darstellung des „leichtsinnigen Melancholikers" ist souverän und versteht es, durch feine und feinste Valeurs zu fesseln. Von den Grazer Schauspielern war ihm nur Rudolf Buczolich als Max ebenbürtig.
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