Kirche in der Stadt - Kommen und Gehen

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Das Dominikaner-Kloster St. Paulus befindet sich in der Mitte des Westteils Berlins. Der Leiter des Pfarrteams für Arbeit mit jungen Erwachsenen, P. Klaus Funke, berichtet über die Besonderheiten der Pastoralarbeit in der Großstadt. Er ist seit 1983 Sektenbeauftragter des Erzbistums Berlin.

dieFurche: Pater Klaus, was ist das Besondere an Ihrer Arbeit mit jungen Erwachsenen?

P. Klaus Funke: Wegen der großen Einwohnerzahl und der Pluralität an Bevölkerungsgruppen und Interessen ist es sinnvoll, wenn die Großstadtseelsorge sich spezialisiert. Unser Team hat sich auf die Arbeit mit jungen Erwachsenen konzentriert. Wir als Kloster haben Vorteile im Vergleich mit den Kirchengemeinden. Diese werden in der Großstadt von vielen eher kritisch gesehen. Das Kloster dagegen findet mehr Interesse, weil unser Lebensstil sich von dem bürgerlichen unterscheidet. Die jungen Leute kommen, um zu sehen, wie wir unsere Wohngemeinschaft gestalten und unsere Spiritualität leben. Viele besuchen gern unser Chorgebet.

dieFurche: Woher kommen die Besucher Ihrer Veranstaltungen?

Funke: Viele von ihnen haben ihre Heimatstadt verlassen und sind wegen eines Jobs oder einer Ausbildung nach Berlin gezogen. Man kann sehr schnell in einer Millionenstadt vereinsamen. Die meisten leben in Singlehaushalten. Das ist für die Großstadt typisch. Diese Menschen suchten Kontakte. Deswegen kommen sie auch hierher. Manche sind nicht katholisch. Wir fragen aber nicht danach. Berlin ist ja multikulturell und die Katholiken sind eine Minderheit. Wir versuchen, mit unserer Arbeit den jungen Erwachsenen eine Alternative zu den Sekten anzubieten. Aus meiner Arbeit als Sektenbeauftragter weiß ich, daß diese Bevölkerungsgruppe die Hauptklientel der Sekten ist. Uns ist wichtig, nicht nur den Sekten entgegenzuwirken, sondern als Kirche für die Suchenden die Tür offenzuhalten. Leider haben wir zu wenig Personal. In unserem Team bin nur ich hauptamtlich beschäftigt. Die Sekten haben dagegen viele Mitglieder, die für sie ganztags im Einsatz sind.

dieFurche: Welche pastoralen Probleme wirft die Großstadt auft?

Funke: In einer Großstadt sind die Menschen viel mobiler und flexibler im Vergleich zu denen auf dem Land. Jedes Jahr verschwinden Gesichter und neue kommen dazu. Manche kommen nur zwei-, dreimal im Jahr. Die Kirche muß sich mit dieser Situation abfinden. Viele Theologen haben nicht gelernt, im Team zu arbeiten. Das persönliche Gespräch ist aber sehr wichtig für unsere Arbeit, ebenso die Fähigkeit, als Leiter auf Kritik eingehen zu können.

Meiner Erfahrung nach sind Mystik und Meditation am meisten gefragt. Kircheninterne Themen sind für die meisten uninteressant. Die jungen Menschen suchen einen Ausgleich zum stressigen und vernunftbetonten Alltag. Das Streben nach Selbstverwirklichung führt öfters dazu, daß viele junge Leute sich stark mit sich selbst beschäftigen und zu geistigen Egozentrikern werden. Mit manchen Veranstaltungen wollen wir die Besucher auf die Not der Randgruppen, die in der Großstadt zahlreich sind, aufmerksam machen.

dieFurche: Wie hat sich die Wiedervereinigung auf die Arbeit ausgewirkt?

Funke: Nach der Wende haben wir einen religiösen Aufbruch im Osten erwartet. Es ist leider nicht passiert. Die ehemaligen DDR-Bürger sehnen sich am meisten nach einer politischen und wirtschaftlichen Stabilität. Die Kirche im Osten hat früher eine klare Identität als Widersacher des kommunistischen Regimes gehabt. Heute ist sie auf der Suche nach einer neuen Identität. Früher wurde sie finanziell vom Westen unterstützt, jetzt ist das nicht mehr in dem Maße möglich. Die Pfarrer haben noch nicht gelernt, mit der neuen Situation umzugehen.

Das Gespräch führte Valia Kraleva.

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