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Kritik und Drama

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OTTO BRAHM, KRITIKEN UND ESSAYS. Ausgewählt, eingeleitet und erläutert Ton Frlta Martini, Artemis-Verlar, Zürich und Stuttgart, 1964. 595 Seiten. Preis S4.80 sFr.— DER MENSCH UND DIE MACHT. Drei Stücke von Franz Theodor Ciokör. Jadwlra. Der tausendjährige Traum, Oesellschaft der Menschenrechte. Faul-Zsolnay-Verlar, Wien-Hamburg. 118 Selten. Preis 99 S.

Otto Brahm (1856 bis 1912), das war die vor der Jahrhundertwende zurückgewonnene Würde des Menschen auf dem Theater; Otto Brahm, das bedeutete ethische, auf realistischem und rationalem Positivismus beruhende Literaturkritik; Otto Brahm, das bedeutete produktive Mittlerschaft, und Otto Brahm, das bedeutet bis heute, nach Fritz Martini, der den vorliegenden Band „Klassiker der Kritik“ vertretbar ausgewählt, mustergültig eingeleitet und beispielhaft erläutert hat, den „Geburtshelfer, Pädagogen und Pro-graimmatiker des neuen DÄmas!“

Im Gedächtnis der Nachwelt verdunkeln Brahms Leistungen als Theaterleiter der 1889 gegründeten „Freien Bühne“ (vier Jahre) und des Deutschen Theaters Berlin (zehn Jahre) seine theoretischen Verdienste um die Revolutionierung der Bühne. Vierundzwanzig jährig begann Brahm an der „Vo&sischen Zeitung“ neben dem konservativen Kritikerheros Theodor Fontane, der sein scharfes kritisches Talent früh erkannte und bewunderte, zu schreiben. Schritt für Schritt läßt es sich nun verfolgen, wie der unprätentiöse Erich Schmidt- und Scherer-Schüler das Konsumtheater des bloßen Genusses entlarvt und wie er prüfend, sichtend, begründend für ein Theater des Geistes eintritt. Konsequent im Streit, in der Förderung, im Aufbau von Dichtern und Schauspielern fordert er Echtheit, Kargheit, Natürlichkeit, postuliert er die Wahrheit als Ziel auch der Theaterkunst.

Sein Heros war Ibsen, den er zweiundzwanzig jährig, gemeinsam mit dem Studienkollegen und späteren Mitstreiter Paiü Schienther für sich entdeckte. Rückblickend stellte Brahm fest: „Von Stund an“ — die Freunde hatten „Die Stützen der Gesellschaft“ gesehen — „gehörten wir dieser Wirklichkeitskunst, und unser ästhetisches Leben hatte seinen Inhalt empfangen“. Gerhart Hauptmann wurde von Otto Brahm erkannt und propagiert; und auch Arthur Schnitzler; so weit reichte der Bogen . des Verstehenkönnens verschiedenster künstlerischer Temperamente. Wie er als konsequenter Streiter und Theatermann dem Epigonentum auf der deutschen Bühne ein Ende gemacht hatte, so wurde seine naturalistische Schule schließlich durch seinen begabtesten Schüler, Max Reinhardt, den neuen Illusionisten, abgelöst. In der Theaterkritik folgte auf ihn, den strengen, objektiven Geist, der selbstherrlich subjektive eines Alfred Kerr, der Ahm bei aller Bewunderung „Konzessionsbereitschaft“ vorwarf. Seinem wahren Wesen und damit seiner Größe mag einer seiner Freunde, Georg Hirschfeld, am nächsten gekommen sein, als er schrieb: „Er hatte die größte Eigenschaft des Mannes: als Feind gerecht zu sein.“

Franz Theodor Csokor ist der österreichische Altmeister jener kleinen Garde von Schriftstellern, deren männlich aufrechte Gesinnung über die Umstürze unseres Jahrhunderts hinweg hohe Achtung abnötigt. Sein

erzählerisches und sein dramatisches Werk, das aus dem Expressionismus herkommt, von dem er sich nie ganz lösen konnte, wird bis in die jüngste Schaffensperiode weitgehend vom Paul-Zsolnay-Verlag betreut. Den drei zwischen 1927 und 1939 entstandenen, uns heute vorliegenden Stücken — Csokor hat sie, einer seiner Vorlieben zufolge, zu einer Tri-logie zusammengefaßt! — kommt heute, so will es scheinen, vorwiegend historische Bedeutung zu.

Wirklich auf der Bühne gelebt hat nur das frühe, feurige, wild-pathetische Büchner-Stück „Gesellschaft der Menschenrechte“, das bis 1933 auf vielen deutschen und österreichischen Spielplänen stand. Die anderen beiden Variationen der Konfrontation des Menschen mit der Macht, gleichfalls Theater des humanistischen Engagements, haben zwar Standpunkt, bleiben aber formal und stilistisch irgendwo im Niemandsland zurück.

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