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Kulissenzauber und Theaterernst

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Ein buntes Ausstellungszwischenspiel macht jetzt den Besuch in der Sezession zum reinen Vergnügen: „Theater in Wien, Bühnenbild, Figurine und Maske, ein Querschnitt 1945 bis 1950“. Pappendeckelbäume beschatten spannenbreite Bühnenbildmodelle, Rücken an Rücken stehen, über Schneiderpuppen gezogen, Elektras und Turandots grelle Kostüme, während ein Kachelofen aus bemaltem Sperrholz sich mit Erfolg bemüht, wenn schon nicht Wärme, so doch Atmosphäre zu verbreiten — wirklich, die Veranstalter dieser Ausstellung, mit dem einfallsreichen Max Meinecke an der Spitze, haben gute Regie geführt und es verstanden, in den kühlen Räumen der Sezession etwas von der launischen Betriebsamkeit des Theaters und der launigen Reizbarkeit seiner Jünger zu verbreiten. Zwischen Illusionierung und Desillusionierung ist ihnen eine etwas verwirrende und ziemlich improvisierte, aber jedenfalls originelle Ausstellung gelungen — was in Anbetracht dessen, daß in Wien als „Ausstellungskultur“ immer noch das möglichst geschmacklose Aneinanderreihen möglichst geschmackvoller Objekte verstanden wird, gewiß kein geringes Lob verdient

Indessen sind Kostüm und Kulisse doch nur der Aufputz, mit dem der ernstere Sinn dieser

Reposition hübsch verziert wird. Ernst In

dieser Miniatur-Theaterlandschaft? Doch, doch, da hängt die erste Ankündigung des „Burgtheaters im Ronacher“: Am 13. April 1945 wird Grillparzers „Sappho“ gespielt. Am 13 April! Das war 16 Tage vor der Konstitution einer österreichischen Regierung! Und da hängen noch die Szenenphotos aus jenen Monaten und Jahren, in denen den berühmten Akteuren auf den Bühnen der nackte Hunger genau so aus den Augen sah wie den anonymen Wienern, die frierend und begeistert zu ihren Füßen in ungeheizten Zuschauerräumen saßen...

Wir haben in den letzten Jahren unseren Theatern viele böse Worte gegeben, weil sie — das ist wahr — manche Hoffnung enttäuschten. Nach einem kurzen Theaterfrühling 1945 gab es Theaterkrisen; die Spielpläne waren nicht immer so, wie sie hätten sein können, und wenn man die vielen Programmzettel studiert, die da an den Wänden der Sezession hängen, stellt man nicht ohne Bestürzung fest, daß diese Spielpläne seit 1945 trockener und engherziger geworden sind. Manche Bühnen sind gestorben, andere haben Leitung, Ensemble und Ambitionen gewechselt. Aber trotzdem, wenn man's so wie hier im Querschnitt, wenn man den Durchschnittvon fünf Jahren sieht: was wurde doch nicht alles gespielt! Und wie wurde es doch gespielt! Die prachtvollen Photographien von Koessler, der als einziger die Schauspieler nicht nach, sondern während ihrer Arbeit photographiert, halten wahrhaft grandiose Schauspielerleistungen fest; Theaterzettel nennen neue und alte, österreichische und französische, englische, deutsche und amerikanische Autoren; Regisseure von Weltruf haben inszeniert und Bühnenbildkünstler stilvoll traditionalistische und kräftig moderne Schein- oder Uberwelten auf die Bühne gestellt. Ja, es gab Sensationen und große Theaterabende!

Die Fülle der hier in kleinem Raum zusammengedrängten Erinnerungen gebracht — und es sind nicht alle: Experimentierbühnen und Studios blieben ebenso unerwähnt wie Berichte über das Auftreten ausländischer Schauspieltruppen — wirkt erstaunlich und überraschend. Während man durch diese Ausstellung geht, ist man geneigt, den Wiener Theatern alles zu verzeihen Nachher verzeiht man ihnen immer noch vieles, hofft aber freilich auch, daß diesen fünf verhältnismäßig fetten Theaterjahren nicht fünf ebenso magere folgen möchten ...

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