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Lebendige Architektur

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Amerika hat es besser — und seine Architekten auch. Den Bauherren steht mehr Geld und offenbar auch mehr Platz zur Verfügung, den Architekten aber weniger von jenen Vorurteilen im Wege, die ihren europäischen Kollegen die Arbeit so sauer machen und der Hälfte aller unserer Neubauten Merkmale historischer Stile, vom Neobarock bis zum Neofaschismus, aufpappen. Frank L. Wright und seine Schüler sind drauf und dran, auch auf dem alten Kontinent Corbusier und dessen Epigonen beiseitezuschieben. Mit guten Ursachen: denn die Bauten der Amerikaner sind lebende, gleichsam atmende Organismen, nicht schöne, aber kalte Kristalle. Die Praxis siegt über die Theorie.

Freilich dürfen die Baumeister in den USA auch mit anderen psychologischen Voraussetzungen rechnen: der Europäer liebt es immer noch, inmitten abschließender, abschirmender Wände zu hausen; ein dunkles Schutzbedürfnis, dessen Herkunft keine Rätsel bietet, treibt ihn zur Selbsteinschließung. Der

Amerikaner aber scheint zum Wohnen im Freiraum auch dort zu neigen, wo die klimatischen Bedingungen nicht eben günstig sind. Vier Mauern und ein Dach — das ist in nuce der europäische, ein Dach und vier Glastafeln — das ist die amerikanische Wohnung, wie sie sich etwa Richard Neutra denkt...

Nun verschweigt eine Ausstellung wie jene im Kunstgewerbemuseum — „Amerikanische Architektur seit 194 7 — natürlich, daß auch in den USA an Baugreueln und selbst pseudohistorischen Attrappen neueren Entstehungsdatums kein Mangel sein dürfte — aber in der Kunst und folglich auch in der Architektur sind es nun einmal die besten und nicht die schlechtesten Dinge, die zählen —, und wir müßten lange suchen, ehe wir in Mitteleuropa ein seit 194V errichtetes Bauwerk fänden, das den amerikanischen in seiner Bedeutung gleichkäme.

Nach dem Künstlerhaus hat nunmehr auch die Albertina zu Ehren des kürzlich verstorbenen Oskar L a s k e eine Gedächtnisausstellung eröffnet. Mehr noch als vor Laskes Ölbildern wird vor seinen vielen Graphiken die Fülle und der Einfallsreichtum, mehr noch sein kindlich-kluger Humor offenbar. Man möge es nicht versäumen, diese beiden Expositionen — erst die Bilder, dann die Graphiken — zu besichtigen, Es wird lange Zeit vergehen, ehe man das Werk des toten Meisters wieder in solcher Vollständigkeit wird sehen können.

Georg Rauch heißt ein junger Zeichner und Maler, der jetzt in den Foyers des Konzerthauses seine Bilder und Zeichnungen hängen hat. Er besitzt offenbar eine nicht unbeträchtliche formale Begabung; ob sie sich auch auf die Farbbehandlung erstreckt, läßt sich schwer sagen, weil sich Rauch vorderhand mit einer Art von Blau-Orange-Kontrapunktik zufrieden gibt, die zwar angenehme Wirkungen, aber nicht gerade tiefe Eindrücke hinterläßt. Gewisse Kompositionen, „Stadt am Meer' oder die „Großstadt'-Zeichnung, frappieren durch intelligente Komposition. Hier scheint ein „Neuer" zu kommen; man wird aufpassen müssen.

Die letzten Worte — und vorderhand nicht viele mehr — sind zu äußern angesichts der Zeichnungen Joset M i k 1 s im Souterrain- lokal des Art-Clubs. Auch hier eine lockere Begabung, deren Äußerungen manchmal an Tanguy erinnern, ein guter Sinn für Form- werte, fast keiner für Farben.

Zum Schluß sei aufmerksam gemacht auf eine sehr hübsche und instruktive Ausstellung des Stadtamtes für Kultur und Volksbildung (Schmidtplatz S), die den Titel „Mosaik trägt und demensprechend Entwürfe und Teilarbeiten für große Mosaiktafeln an neu entstehenden Gemeindebauten und dergleichen zeigt. Die besten stammen von Ernst Huber und Turolt, die mit neuen keramischen Materialien und einfachen, aus Bauschutt oder Geröllhalden stammenden Steinen gleicherweise hübsche dekorative Wirkungen erzielen. Weniger an Kunst als an Parteipropaganda erinnert ein Entwurf von Paul Meissner.

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