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Leon Epp: Ruckblick und Ausblick auf die Insel

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Der Ruf und die Bedeutung einer Kunst-und Theaterstadt werden nicht von einem einzelnen Kunstinstitut bestimmt, sondern haben ihre Begründung und Berechtigung in dem Zusammenwirken verschiedenster und vielfältigster künstlerischer und geistiger Komponenten. Ein kleines Glied in diesem Zusammenwirken wollte und sollte das Theater „Die Insel“ sein.

Als wir 1 9 3 6 die „Insel“ als ein Theater der Dichtung begründeten, war beabsichtigt, daß diese kleine Keimzelle sich dahin vergrößere und entwickle, um einmal im Hause der Komödie auf größerer Basis und doch in intimem Rahmen ein geistig abgestimmtes Repertoire zu entwickeln, sowie durch jahrelange Arbeit den Grundstock eines festgefügten Ensembles zu schaffen.

Viele Jahre intensiver und harter Arbeit, viele Enttäuschungen und viel Kraft waren notwendig, bis wir 1945 in das damals bombenzerstörte Haus der Komödie in der Johannesgasse einziehen konnten. Am 18. Oktober 1945 ging im Theater „Die Insel“ in der Komödie zum ersten Male der Vorhang hoch. Mit der feinsinnigen und feinnervigen Dichtung „Onkel Man ja“ von Anton Tschechow begannen wir. Bis zur Schließung des Theaters am 12. Mai 1951 brachten wir hundert Premieren, vier Leseaufführungen, zweiundzwanzig Matineen und drei Tanzgastspiele heraus. 286 verschiedene Schauspieler wurden in der „Insel“ in den künstlerischen Arbeitsprozeß einbezogen, und ein Stork von rund zwanzig Ensemblemitgiiedern, der sich unermüdlich für die künstlerischen Ziele des Theaters einsetzte, schloß sich eng zusammen. Ungerechnet sind die notwendigen Kräfte der Dramaturgie, Verwaltung sowie der Bühnentechniker und die sonstigen Mitarbeiter.

Ein Theater der Dichtung sollte das Theater „Die Insel“ sein. Aus der Antike bis zur Gegenwart schöpften wir unser Repertoire, und es läßt sich nachweisen, daß die „Insel“ unter den oben angeführten hundert Premieren rund sechzig Werke herausbrachte, die, vom künstlerischen und geistigen Standpunkt aus gesehen, die Daseinsberechtigung des Theaters „Die Insel“ erwiesen.

Natürlich kann ein Theater mit geistigen und ethischen Zielen nur dann existieren, wenn ihm Publikumsorganisationen stützend zur Seite stehen oder ausreichende Subventionen die materiellen Sorgen abnehmen.

Dies war bei der „Insel“ leider nicht der Fall, und es mußte daher eine Situation von kommerziellen Schwierigkeiten eintreten, die in der Repertoirebildung zu Konzessionen zwangen, ohne dadurch eine Lösung zu bringen.

Wenn ich heute auf unsere vergangene Arbeit kritisch zurückblicke, so spreche ich mich nicht von Fehlern und Fehlgriffen frei, muß jedoch die Feststellung machen, daß ohne großzügige kulturpolitische Gesamtplanung des kulturellen Lebens ein Theater wie die „Insel“ nicht existieren kann. Die Notwendigkeit eines solchen Theaters ist jedoch unbestreitbar, denn neben den großen traditionellen Bühnen ist es Aufgabe eines kleinen Theaters wie die „Insel“, neue Begabungen an Autoren und Schauspielern zu entdecken, zu fördern und künstlerisch anzuregen. Daß unsere Arbeit nicht ganz vergeblich war, sehe ich daraus, daß eine Anzahl unserer Schauspieler im Laufe der Zeit ans Burgtheater gerufen wurde, andere an großen Bühnen Deutschlands und der Schweiz ein erweitertes Tätigkeitsfeld fanden.

Nun, da das Theater „Die Insel“ vorläufig seine Tätigkeit einstellt, sehe ich auch aus dem Reagieren unseres Stammpublikums, das heißt unserer Abonnenten, wie sehr diese das Theater liebten, und es ist geradezu rührend, mit welch warmen Worten des Bedauerns unsere Abonnenten in die Kanzlei kommen, um uns zu versichern, daß sie wiederkämen, wenn das Theater .Die Insel“ in Wien seine Tätigkeit irgendwo wieder aufnimmt. Ich bin auch überzeugt davon,daß der Kreis des Stammpublikum ein weitaus größerer gewesen wäre, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, auf breiter Basis zu werben, und wir haben zum Beispie! die Erfahrung gemacht, daß auch das Publikum der Randbezirke — bei Gastspielen des Theaters „Die Insel“ — bei schwersten Dichtungen, wie „Ostern* von August Strindbeig, .Im Namen de Königs“ von Emanuel Roblee und anderen mehr, intensivst und lebendig mitging und voll Aufnahmebereitschaft lebendigem Theater gegenüber ist. Ich glaube nicht an das oft gebrauchte Wort einer Theaterkrise, denn der Wille des Publikums zum Theater ist vorhanden wie eh und je. Es mangelt nur an der großen Organisation und der systematischen Propaganda, die, von den Schulen angefangen, über die Zeitungen bis zu den einzelnen Arbeitsstätten einsetzen müßte.

Heute, am vorläufigen Ende unserer Arbeit, sehe ich, daß jede Konzession in künstlerischen Belangen von mir ein Fehler und eine Schwäche war deren Ursache in dem schweren Existenzkampf des Theaters lag. Für einen Wiederbeginn habe ich aus diesen Fehlern gelernt. Wenn ich auch das Haus der Komödie in der Johannesgasse verlasse, bleibt mit mir verbunden das Theater „Die Insel“, welches ich im gegebenen Zeitpunkt wieder ins Leben rufen werde.

Die Weiterführung des Theaters war im Augenblick aus kommerziellen Gründen nicht mehr möglich, und ich mußte schweren Herzens den Endpunkt setzen. Ich weiß aber jetzt schon, daß das Theater „Die Insel“ wieder sein wird, denn es liegt in diesem Namen ein Programm, eine Verpflichtung und ein Ziel. Diesem Ziel zu dienen, ist mir höchste Aufgabe.

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