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Musik der jungen Generation

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„Ein Kunstfestival der jüngsten Generation“ — fo mag man mit Recht die Jugendkulturwochen nennen, die die Tiroler Landesregierung gemeinsam mit der Innsbrucker Stadtverwaltung nun schon zum neunten Male abgehalten hat. Hier werden die Produktionen der jüngsten Künstler aller Sparten in eine — oft erstmalige — Berührung mit dem kritischen Publikum gebracht, und vielfach mögen bereits Anregungen, Belehrungen und Bereicherungen aus diesem Kontakt hervor-, gegangen sein, mag manche Entdeckung eines bis dahin im Verborgenen blühenden Talentes einiges der aufgewendeten Mühe gerechtfertigt haben, in der einmaligen, so stark von der Hochgebirgsstimmung getragenen Atmosphäre der Tiroler Landeshauptstadt, die durch diese Jugendkulturwochen wohl in votbildlicher Art sich der Mäzenatenrolle bewußt geworden ist, wie sie in der Gegenwart den offiziellen Stellen zugeteilt erscheint und die — vorsichtig sei es ausgesprochen — nicht oft so richtig und lebendig verstanden wird wie gerade hier.

In diesem Jahre war das Hauptgewicht der Programmbildung auf die Musik gefallen, und innerhalb ihres Rahmens wiederum auf die Kompositionsklasse, die Prof. Karl S c h i s k e an der Wiener

Musikakademie mit Geschick und Umsicht leitet. •

Diese Klasse umfaßt tatsächlich eine verhältnismäßig große Anzahl von jungen Talenten, die auf dem besten Wege sind, sich zu musikalischen Individualitäten und fester umrissenen schöpferischen Persönlichkeiten zu entwickeln. Beispielsweise erwies sich gleich der junge Erich Urbanner — nebenbei bemerkt der einzige Tiroler unter den in Innsbruck zu Worte kommenden jungen Komponisten — mit einer in der Wiltener Basilika aufgeführten Messe (Missa „Benedicite gentes“ für Singstimmen und Orgel) als tieffühlender religiöser Musiker, ebenso wie er seine handwerkliche Fertigkeit und sein notfalls auch den Aeußerlichkeiten gehorsames Temperament in der Auftragskomposition „Prolog für Orchester“ (gespielt “beim Eröffnungsfestakt) unter erfreulichsten Beweis stellen konnte. Iwan E r ö d — ein junger ungarischer Emigrant — zeigte sich mit einem Streichquartett als ein nicht nur modern zwölftönig empfindender, sondern vor allem architektonisch geschickter Komponist von unbezweifel-barem Klang- und Formgefühl; freilich steht er heute noch ein wenig im Gefolge Bela Bartöks. Seine bei der Eröffnung gespielte „Sonate für Orchester“ verwebt mit Geschick und Geschmack den Isaac-Choral „Innsbruck, ich muß dich lassen“ als Cantus firmus in ein ansonsten zwölftöniges Satzkpnzept. Nicht,.

vergessen sei eine kammermusikalische Requiemkomposition für Sopran und Streichtrio des Ungarn Istvän Z e 1 e n k a, getragen von hoher Ausdrucksintensität und aparten, unkonventionellen Klangwirkungen. Die konzessionsloseste, für die traditionelle Aesthetik unzugänglichste Position verteidigte der junge Niederösterreicher Ingomar Grünauer mit seinem seriell angelegten Kammerorchesterstück „Immutata“, ein Stück, das das Talent des 20jähri-gen Komponisten recht anschaulich werden läßt, indem es die an sich recht abstrakte, intellek-tualische, serielle Technik mit einer unbezweifel-baren Komponente musischen Empfindens und einem deutlichen Sinn für musikalische Architektonik paart. Grünauer wird so zur deutlichen Verkörperung jener typisch österreichischen Note unter der Produktion der jüngsten Musikergeneration: Synthese von unkonventionellem, oft intellektuell überspitztem Experiment mit einer durchaus als musisch zu empfindenden Komponente, in der Ideale einer im allgemeinen längst von den Jüngsten verworfenen Aesthetik lebendig werden, die das Ganze einem von einigem guten Willen getragenen Zuhörer unbedingt genießbar machen kann.

Der unleugbar musische Zug der Begabung der jüngsten österreichischen Musiker trat auch überzeugend an einem Abend zutage, an dem die jungen Komponisten als feinsinnige Pianisten und Interpreten von Klaviermusik von Schönberg, Webern, Bartök, Strawinsky, Hindemith und lelinek wirkten — übrigens mit besonderem technischen Gelingen und viel stilistischer Einfühlung. — So eröffnete denn dieses Inrafcrucker Musikfest der Jüngsten durchaus freundliche und hoffnungsreiche Aspekte, als Gegengewicht zu jenem internationalen Pessimismus, der der Weltproduktion der jüngsten Musikergeneration nicht ganz ohne Recht allenthalben entgegengebracht wird.

Veranstaltungen der jungen Dichter und bildenden Künstler sowie eine sehr gelungene Aufführung von M. Hausmanns Legende vom „Fischhecker Wandteppich“ durch das „Innsbrucker Ringstudio“ lieferten den glücklichen Rahmen zum im Mittelpunkt stehenden musikalischen Geschehen.

Den Interpreten des ganzen Festes — Musikdirektor Rapf an der Spitze seines famos musizierenden Orchesters, der Sopranistin Ilona Steingruber, dem ausgezeichneten Bruckbauer-Quartett — gebühren hohes Lob und dankbare Anerkennung, der übrigens Minister Dr. Drimmel in einer internen Schlußveranstaltung deutlichen Ausdruck verlieh.

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