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Nach dem Fest

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Zwei Wiener Festwochen der letzten Monate haben für eine Neuaufführung und eine Wiederaufführung, die nunmehr ins Wiener Kinoprogramm gehen, wertvolle Werbearbeit geleistet.

Pietro Germi hat zwischen 1947 und 1957 acht Filme gedreht, aus denen uns der revolutionäre Humanismus von „II cammino della speranza“ und die traditionsfeste bürgerliche Moral von „II ferro-viere“ in starker Erinnerung sind. Sein neuer Film, „L'uomo di paglia“, sehr frei verdeutscht mit „B i s ans Ende der Zeit“, knüpft eng an den letztgenannten „Eisenbahner“, der bei uns „Das rote Signal“ hieß, an. Nicht nur, daß die Besetzung die ganze Familie, Mann, Frau und Kind, übernimmt, weisen auch Stoff und Stil, vor allem aber die großartige; üntfreWHafewfjg tiefgehende .'Verwämftschaft auf. Hier wie dort der Ausbruch des Mannes aus der * bürgerlichen 'Sicherung, hier wie dort die Einkehr und Heimkehr dorthin! Dabei ist es diesmal die Leidenschaft, der Ehebruch, der unmißverständlich klar als Verletzung der natürlichen Ordnung dargestellt und überwunden wird, nicht zeigefingenid und schwarzweißmalend, sondern schon durch die Wahl des Typs der Ehebrecherin und des Mannes alle verwirrende Problematik andeutend. Es ist das geradezu Revolutionierende dieses Films, daß er das „Happy-End“ im Sinne einer ethischen Lösung wagt, was ihm prompt die kühle Zurückhaltung eines Großteils der Kritik einträgt. Am Rande ist ein religiöser Konflikt gestreift, sehr scheu, sehr sauber, sehr klar. Übrigens hat seit dem „Dritten Mann“ und der „Brücke am Kwai“ noch kein musikalisches Leitmotiv so in den Kern der Problematik geführt wie hier die mit aufregender Suggestivität in Sekunden und Terzen auf und ab rutschende „Melodie der Leidenschaft“. Der Film hat in Österreich das Höchstprädikat „Besonders wertvoll“ erhalten; er verdient es.

An der Spitze zweier Dutzend Reprisen der letzten Wochen steht „Die große Illusion“, ein Film Jean Renoirs aus dem Jahre 1937, eine der letzten humanistischen Kundgebungen des Films. Quer durch die Nationen gehen in dieser Geschichte von französischen Kriegsgefangenen in Deutschland die Linien: feudal und demokratisch, Boch und Poilu. Nur was gut und böse, Vernunft und Wahnsinn ist — darüber gibt es hüben und drüben nur eine Meinung. Zwei Jahre später war das schon nicht mehr der Fall. Sind solche Filme also „umsonst“? Nein. Es waren ihrer, gemessen an den „anderen“, nur zu wenige. Stroheims „Rolle des Lebens“ und zwei großen Anfängern (Jean Gabin und Pierre Fresnay) steht nur Dita Parlo als Fremdkörper gegenüber.

Ende gut, alles gut. Ein deutsches Charakterlustspiel, „Sturm im Wasserglas“, bringt Therese Giese ins Spiel, das der unvergeßlichen Niese ebenbürtig ist.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich), Nr. 25, vom 18. Juni 1960: II (Für alle zulässig ab 10 Jahren): „Sturm im Wasserglas“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend, etwa ab 16 Jahren): „Dünkirchen“ — IV (Für Erwachsene): „Bis ans Ende der Zeit“**, „Links und rechts vom Ehebett“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Bringt ihn lebend“ — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Der Sadist“ „Die Schüler auf krummen Wegen“ — V (Abzuraten) t „Hiroshima, mon amour“, „Der Killer mit der sanften Stimme“. — ** = empfehlenswerter Film.

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