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Ostdeutsch und englisch

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Wie manchmal ein Kranker im Fieber plaudert auch der Film im Hochsommer seine Kindheitserlebnisse aus. Wären nicht einige bedeutendere Reprisen da, darunter die un- verwelklichen „Schönsten Jahre unseres Lebens“, man könnte sich in dieser Woche um ein halbes Jahrhundert in der Entwicklung des Films zurückversetzt fühlen —- dieser Atavismus der Fabeln, diese zählebigen Abenteuer-, Indianer- und Verbrechergeschichten: „Geheimaktion Carlotta“, „Falken au ge“ (für eine Lederstrumpfgeschichte reichlich roh, daher berechtigtes Jugendverbot!) und „Unter Einsatz des Lebens“!

Zwei schüchterne Versuche, den Ring zu sprengen: das ostdeutsche Lustspiel „Bürgermeister Anna“ und der englische Schwank „Tauschzentrale für Ehepartner“.

In dem ersteren stecken gesunde Elemente der Dorfgeschichte, erneuert durch ostdeutsche Nachkriegsproblematik. Bürgermeister Anna, ein energisches junges Ding, muß sich in ihrem Kampf um eine neue Dorfschule nicht nur gegen die Kulaken, pardon: eine Gruppe böswilliger Bauern, sondern auch gegen die Haustyrannengelüste ihres künftigen Ehemannes durchsetzen. Die unaufdringliche Moral sichert dem sauberen, einfachen, trocken-humorigen, etwas hart photographierten DEFA-Lustspiel einige Sympathie.

Im Leicht-verrückt-Stil versucht der englische Schwank dem uralten, nicht ganz unverfänglichen Bühnenstoff vom Tausch der Ehepartner (hier: um des lieben Hausfriedens mit einer „Perle“ willen) neue Seiten abzugewinnen. Möglich, daß die deutsche Sprachfassung nicht ganz die Geschmeidigkeit des IILusionsstils der Ųrfassung trifft, wahrscheinlich, daß diese „Tauschzentrale“ auch im Original doch nicht an die brillanten englischen Lustspielerfolge der letzten Zeit heranreicht — kurz, das Ganze zündet nicht recht. Das Publikum ist zudem schon vor dem Film von quälendem Galgenhumor erschöpft, denn im Vorprogramm läuft ein italienischer Werbefilm, „Wiedersehen mit Italien“, den eine weibliche deutsche Synchronstimme daß Gott erbarm (Adagio in Weh-dur) mit Bedacht mordet.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): II (Für alle zulässig): „Der Bettelstudent“; III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Des Königs Admiral“, „Frauen und Toreros“, „Bürgermeister Anna“, „Die Männerfeindin“, „Falkenauge“; IV (Für Erwachsene): „Tauschzentrale für Ehepartner“, „Blankoscheck auf Liebe; IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Geheimaktion Carlotta“, „Unter Einsatz des Lebens“, „Zu neuen Ufern“; IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Gangster der Luft“; V (Abzuraten): „Opfer der Straße“. sich dort in direkten Gesprächen mit allen Kreisen der Bevölkerung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit ihrer gegenüber den Italienern gehegten Vorurteile überzeugen sollten. Der wesentlichste Erfolg der ersten Fahrt des „Vorurteilsautobusses“ aber war, daß sich die deutschen Reisenden auf Grund persönlicher Beobachtungen vielfacher zwangloser Gespräche“ wie oft sehr leidenschaftlich geführter Diskussionen gezwungen sahen, ihre Vorurteile an Ort und Stelle zu überprüfen und — in vielen Fällen — zu revidieren. In den politischen Gesprächen wurde leidenschaftlich die „Treulosigkeit des Italieners“ diskutiert. Kontroverspunkte ergaben ferner die Debatten um die Behandlung des Tieres in Italien. Daß der Papst die Reisegesellschaft in Sonderaudienz empfing und das Unternehmen eine „schöne Idee“ nannte, verdient um so mehr Beachtung, da das Experiment des Süddeutschen Rundfunks lebhaft umstritten und vielfach als ein wenig glücklicher Gedanke bezeichnet worden war, da es Vorurteile nur aufrühre, statt sie durch taktvolles Schweigen zum Verschwinden zu bringen. Als wohlabgewogenes Resumė können die Worte eines Teilnehmers gelten: „Eigene Ideale kann man nicht auf ein anderes Volk übertragen. Ein fremdes Volk steht unter einer eigengesetzlichen Entwicklung in Kultur und Anschauung. Aber eben aus den daraus entstanderen fruchtbaren Spannungen ist letzthin die ganze abendländische Kultur erwachsen.“

Bei einer sogenannten Intelligenzprüfung wurde eine Londoner Schülerin gefragt, wer der große italienische Maler war, der in diesem Jahr durch 500-Jahr-Feiern besonders geehrt wird, Die Antwort lautete: Leonardo Wyschinski!

In der Regierungszeit Kemal Atatüiks war die Hagia Sophia in Istanbul, einst die Hauptkirche der orthodoxen Christenheit, zu einem Museum umgestaltet worden, nachdem sie seit den Tagen der Eroberung Konstantinopels durch die Türken als Moschee gedient hatte. Nunmehr hat die „Vereinigung nationaler Türken“ die Forderung erhoben, die Hagia Sophia wieder zur Moschee zu machen. Das Istanbuler Blatt „Journal d’Orient“ erhebt dagegen scharfen Pfotest: „Der Vorschlag, die Hagia Sophia wieder zur Moschee umzugestalten, würde uns nicht erstaunt haben, wenn er von Veitretern fremder Ideologien gekommen wäre … Es ist aber traurig, feststellen zu müssen, daß ein solches Ansinnen von einer Organisation kommt deren Mitglieder sich türkische Nationalisten nennen … Wir wollen nicht, daß die Türkei ein Herd des Fanatismus wird, wie etwa Iran oder Ägypten.“

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