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Problematische Stücke im Keller

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Das Theater der Courage bringt die deutschsprachige Erstaufführung eines Stückes, das von der amerikanischen Presse als „ein hervorragendes Beispiel mutigen Theaters” gerühmt worden ist. Was sich bezweifeln läßt, denn Mut ist, wenn man trotzdem Angst hat. Zu letzterem wäre Grund vorhanden, wenn ein Autor (im konkreten Fall des nach einem Roman von Andrė G i de verfaßten Theaterstückes „Der Immoralist” sind es ihrer zwei: Ruth und Augustus G o e t z) für die absolute Loyalität gegenüber der von Natur aus andersartigen Veranlagung und gegen die bürgerlichen Vorurteile einträte — oder gegen die „widernatürliche Veranlagung” und für die in solchen Dingen harte bürgerliche Moral. Ein Stück, das in acht (dramatisch eher’ dünnen) Bildern mitteilt, daß es „so etwas gibt”, ist nicht im engeren Sinne mutig, Sondern — sagen wir: „interessant”, im Sinne jenes „Mutes”; auf der Bühne Dinge auszusprechen, die das Publikum an solchem Orte selten zu hören bekommt. Das Stückende, das uns den Helden, dem innerhalb der acht Bilder begreiflicherweise nicht wirklich zu helfen war, voller Bereitschaft zeigt, von nun an zu verzichten, gibt dem Abend so etwas wie ein moralisches Gerüst, aber nicht jene Ueberzeugungskraft, die nur durch ein packenderes und tieferschürfenderes Stück zu erzielen gewesen wäre. Immerhin sorgte Wolf Harnisch (der das Stück auch übersetzte) für eine saubere Inszenierung, in der Veit R e 1 i n (von ihm auch die Bühnenbilder) und Henriette Hieß mit viel lobenswerter und entwaffnender Ambition gegen die peinlichen und trotzdem schalen Dialoge ankämpfen. In kleinereh Rollen bestehen Antonio Lepeniotis, Karl Augustin, Wolfgang Gasser, Wolf Harnisch, Richard Eggarter und Steffi Thaller.

„Die Namenlosen” (Les Rates) von Henri Renė Lenormand im Theater „Die Tribüne”: Ein einundvierzig Jahre altes Stück über das Elend der Provinzwandertruppen. Harter, aber noch sehr flacher, ungestalteter Realismus. Ein paar Jahre später konnte man so etwas schon besser. Ein achtteiliger Bilderbogen, halb balladenhafte Reportage vom verpfuschten Leben, halb sozialkritisches Einszenensystem des Kabaretts, zeigt den Sumpf, die Mühsal und Verzweiflung eines jungen Paares. Die beiden sind erfolglos in der Liebe zueinander und ebenso erfolglos in ihrem künstlerischen Beruf. Ende mit Schrecken. Die Aufführung (Regie: Norbert K a m m i 1) ist einprägsamer als das Stück. Peter Schratt, Franzis Kristian, Toni Bukövicz, Anton Rudolf, Ludwig Hillinger, Auguste Welten und Norbert Kammil sind besser als Lia Ander, die den Hauptpart spielt. Am wirkungsvollsten sind die Bühnenbilder von Magda Strehly.

Das „Kaleidoskop” bringt als österreichische Erstaufführung den Einakter „Zur Zeit der Distelblüte . Autor: Hermann Moers, ein neuer junger Dramatiker aus Deutschland. Das gute Stück, mehr literarisches Experiment als dramatisches Gebilde, beschränkt sich darauf, einen Abend lang eine Situation darzustellen: Das Leben und die Verzweiflung im Zuchthaus. Fünf Gefangene (wohl Symbolgestalten der menschlichen Gefangenschaft ganz allgemein) werden von Georg Lhotzky, Joe Trümmer, Otto Gaßner, Kurt Jochen Grot und Peter Assen ausgezeichnet dargestellt: pointiert und nuanciert und mit eindrucksvoller Ambition. Die sehr flüssige Regie besorgt Jörg B u 11- 1 e r, das Bühnenbild Rudolf Schneider Manns-Au.

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