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Die Welt als Kabarett?

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Guido Weinberger bekennt sich im Nachwort zu seinem , J o s e p h“ . (Der Revolutionär), einem Schauspiel, das soeben vom Volkstheater uraufgeführt wurde, zu einer „makarischen“ Weltanschauung und einem „makarischen“ Theater. Unter seinem Makarismus versteht der Autor eine Verbindung der klassischen Antike mit dem mystischen Christentum, unter makarischem Theater den „Einklang der inneren Melodie" des Schauspiels mit „der seelischen Aktion, mit Bewegung und Geste“. Nach dem Wunsche des Autors sollten alle Szenen und Figuren dieses Schauspiels symbolische Farben, tragen. Im ganzen: eine Fülle von Ansprüchen, die der Autor an seine Figuren, an das Publikum, an sich selbst stellt. — In der Aufführung erweist sich dieses Stück, das Kaiser Josephs II. Erdenweg als Karfreitag, als Weg der Schuld und Sühne, darstellen will, als ein Bilderbogen von achtundzwanzig meist sehr kurzen Szenen. Verwirrt und erschöpft verläßt der Beschauer das Theater. Es gelingt Joseph Hendrichs, dem Helden eine gewisse Körperhaftigkeit zu geben, heldenhaft durchhaltend. Auch Maria Urban und Helmi Märeich, Egon Jordan und einige andere aus der Riesenschar der Statisten, die zumeist nur wenige Sätze oder Worte zu äußern haben, lassen menschliche Konturen erkennen. Bedrückend der Eindruck dieses Schau-Spieles, das doch allen Mitarbeitern an der Aufführung viel Kraft und Zeit abverlangt.

Im Kleinen Theater der Josefstadt im Konzerthaus werden dreizehn Szenen, ausgewählt aus zwanzig, aus dem „Kleinen Weltkabarett“ von Kurt Klinger durch fünf Schauspieler interpretiert: Grete Zimmer, Elisabeth Stemberger, Mirjam Ziegel-Horwitz, Bruno Dallansky und Leopold Rudolf. — Dieses Kabarett liefert Studien, Entwürfe zu Dramen, literarische Feuilletons, Kurzgeschichten, Hörspiele, Fragmente. Skizzen brüchiger, zerrissener Menschen, gemalt mit einer schwarzen Tinte (anders aber als bei H. C. Artmann), fast behaglich schnurrend und meist in einer Person (die Monologe hält), in die Mitte der Bühne geknallt: da habt ihr sie, da seht ihn, den Burschen, das verrückte Mädchen, die grausame Alte! Im ganzen wird man an die literarische Kabarettkultur der Wedekind-Zeit und an die Kellerbühnen der ersten Nachkriegsjahre erinnert. Schauspielerisch bieten die Szenen Leopold Rudolfs den Höhepunkt des Abends, der auch den Titel tragen könnte: „Aus der Werkstatt unserer jüngeren Autoren“. Oder: „Aus dem

Zettelkasten." Es ist wohl die Aufgabe unserer Kleinbühnen, Experimente und Revuen dieser Art zu Studienzwecken aufzuführen. Friedrich Heer

Die Kellerbühnen bieten hintergründige Bedeutung simulierende Novitäten: In der Tribüne mißfällt die Uraufführung des aus politischen Gemeinplätzen und hochtrabenden theologischen, philosophischen und biologischen Spekulationen konfus zusammengefügten Schauspiels „Russische Ostern“ von Kurt Beesi: Ein schwülstiges Blendwerk sucht vor dem Hintergrund eines russisch-orthodoxen Emigrantenklosters (in dem zwei Sowjetwissenschaftler mit den exilierten Mönchen über — Becsis zweifelhafte — Weltbeglückungstheorien diskutieren) mit allen Mitteln vorgetäuschter Geistigkeit den un- gewappneten Besucher davon zu überzeugen, daß aus einer breiigen, naiven, mit Spruchbandchören und allerlei Visions-Hascherei aufgemöbelten Handlung etwas besonderes zu enträtseln ist. Die bewundernswert bewältigte Inszenierung (Otto Ambros), das , atmosphärisch geballte Bühnenbild (von Claus Pack) und die profilierten Gestaltungen Tino Schuberts, Peter Schratts und Wolf Harnischs mildern den negativen Eindruck.

In der „Courage“ erhebt die österreichische

Erstaufführung der ins Irreale entrückenden Komödie „Das Fräulein und der Zufall“ von August De f r e s n e Anspruch, als ernsthafte Auseinandersetzung mit mystischen Motiven aufgefaßt zu werden. Hier ist es umgekehrt: hier ist das zwar recht harmlose, doch aber schwierig glaubhaft darzustellende Stück für den Regisseur Horst K e p k a offenbar zu komplex: die Hauptrolle ist für die Darstellerin Marianne Kober zu subtil. In Nebenrollen gefallen Kurt Mejstrik, Emil Feldmar, Georg Lhotzky, Kurt Radlecker und Edith Hieronimus. Eine interessante Photomontage als Bühnenbild von Helmut Baar.

Am Parkringtheater schließlich lockt die „Villa der Madame V i d ą c“ von Serge S i m e n o i s : Ein Stück von abgründig-makabrem, zynischem Humor. Bestechend die raffinierte Inszenierung von Kurt Julius Schwarz, ideenreich das Bühnenbild von Rudolf Schneider Manns-Au. Beeindruckende schauspielerische Gestaltungen von Joe Trümmer, Ingold Platzer, Herbert Kersten, Gerti Rathner und Hans Christian.

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