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Regieexperiment

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Es gibt mehrere Ansatzpunkte in Stoff, Textbuch und Partitur der komischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, die zu einem Experiment verlocken, wie es der Regisseur Herbert Waniek in der Volksoper gewagt hat. Der mehrfach behandelte und fast zeitlose Stoff Shakespeares vom Ritter Falstaff und seinen mißglückten Liebesabenteuern, das mit den Stilmitteln romantischer Ironie liebäugelnde und sich vorsichtig selbst persiflierende Textbuch, schließ- lidi und nicht zuletzt die Musik Nicolais, in der sich deutsche und italienische Elemente zu reizvoller Synthese verbinden: all dies verleiht der Oper einen ganz spezifischen, unpathetischen Charakter, der zu spielerischer Gestaltung reizt. — Wenn dabei die Substanz des Werkes nicht angetastet und mit Geschmack und Takt vorgegangen wird, so ist gegen eine solche Erneuerung, Auflockerung und „Entstaubung“ nichts einzuwenden, zumal sich das Publikum ganz ausgezeichnet dabei unterhält. — Wohl ist es ein Stückchen entfesseltes Theater, das in der Volksoper dargeboten wird und den Unvorbereiteten anfangs wohl etwas chokiert. Aber man muß schon ein rechter Griesgram sein, wenn man sich von dem fröhlichen Drunter und Drüber auf der Bühne nicht mitreißen läßt. — Und der Zuschauer mag sich seiner guten Laune mit gutem Gewissen freuen, da die Grenze zu Operette, Revue und Kabarett nirgends überschritten wird und es keinen Gralstempel zu verteidigen gilt.

Das Nebeneinander und Durcheinander von Stilen — Shakespeare-Bühne, Kostüme aus der Zeit um 1800, Musik von 1848, Regiekünste von 1948 — ist nicht ohne Gefahren, hat aber einen eigenen artistischen Reiz. Daß die realistischen Szenen des ersten Teiles besser gelangen als die romantisch-lyrischen des zweiten, lag nicht sosehr am Stoff, sondern am mangelnden Mut zur Konsequenz, die Stilisierung auch auf diese Szenen auszudehnen.

Ort der Handlung ist eine mit Biedermeiermöbeln ausgestattete kleine Shakespeare-Bühne auf der Bühne, die, stufenförmig absteigend, bis ins Orchester und an die vorderste Sitzreihe führt. Der Orchesterraum erstreckt sich, links und rechts aufwärtssteigend, bis in die Höhe der Spielfläche, die links von einem Harfenspieler und rechts vom Paukisten flankiert wird. Auch die Souffleuse waltet, allen sichtbar, neben den Streichern in Bühnenhöhe ihres sonst diskret verborgenen Amtes. Hinter der Bühne, links und rechts auf erhöhten Podesten, Publikum, das freilich die ganze Aktion nur von rückwärts zu sehen bekommt.

Aus dieser Anordnung ergeben sich dem Regisseur eine ganze Reihe reizvoll-humoristischer Einfälle, die freilich nicht in Nicolais Textbuch stehen, zu denen die Musik aber trefflich paßt. Man möchte alle aufzählen, doch es ist besser, sie sich anzusehen, r— Der Orchesterpart gewinnt durch die ungewohnte Sitzordnung an Deutlichkeit mehr, als er infolge der Zerstreuung über einen so breiten Raum an Ausgeglichenheit verliert vor allem infolge einer gewissen Überexposition der Holzbläser und des Schlagwerks. — Die Besetzung ist eine der besten, die wir in der Volksoper bisher hören konnten. Unter Otto Ackermanns Leitung wird frisch und sauber musiziert. In den Hauptrollen Maria Cebotari, Martha Rohs, Endre Koreh, Walter Höfermayer, Walter Ludwig, Magda Gabory. Bühnenbilder Stefan Hlawa, Ballett: Erika Hanka.

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