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Religiöse Kunst im Rundfunk

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Wer Gelegenheit hat, laufend die Neuerscheinungen in der dramatischen Literatur zu verfolgen, wird eine erstaunliche Häufung religiöser Themen und Probleme feststellen können. Diese werden durchaus nicht immer vom Standpunkt des Gläubigen aus behandelt: auch skeptische oder konfessionell nicht gebundene Autoren gestalten religiöse Stoffe oder Fragen der Gläubigkeit, der Sündigkeit, der rejigiösen Existenz. Es zeigt 6ich daran, daß diese Probleme so dringlich und akut sind, daß keiner, der 6ich mit seiner Zeit ausein- andersfetzen will, daran vorübergehen kann.

Diese Situation fand im Rundfunkprogramm der letzten Wochen besonderen Niederschlag. Die Ravag brachte das letzte Werk des großen französischen Dichters Jean Giraudoux „Sodom und Gomorrha . Hier ist unsere Welt auf einen Endzustand hin projiziert und die Frage der Geschlechter äst für diese Städte die entscheidende. Sie können gerettet werden, wenn der Engel noch ein wirkliches Paar findet, aber in „Sodom und Gomorrha“ tut jedes Geschlecht das Böse auf eigene Faust. „Alles was ihm (dem Himmel) mißfiel haben sie zu zweit erfunden Gott hat sie hart gestraft, aber niemals mit dem Tode. Denn in dieser Zweisamkeit gegen ihn war etwas wie Treue und eine Verheißung. Doch das ist anders geworden, „Freuden, Erinnerungen, tote Dinge bekommen ein Geschlecht Seltet das Böse hat ein Geschlecht. Die Welt ist reif ; zum Untergang“. Das Paar wird nicht gefunden, Sodom und Gomorrha vernichtet. Aber die Menschen schweigen nicht, „der Tod war nicht genug. Das.Spiel geht weiter.“ Diese großartige Analyse der Geschlechter in escha- tologiscäiem Sinn mit ganz seltener dichterischer Kraft und Poesie gestaltet, macht dieses Werk zu einem der bedeutsamsten der modernen Weltliteratur. Obwohl es für den Rundfunk nicht sehr geeignet ist, war 6eine Aufführung unter der dem Werk 6ehr gerecht werdenden Regie Otto Ambros’ ein großes Verdienst. — Das gleiche Thema behandelte das rundfunktechnisch vorzügliche Hörspiel von Erwin Wickert „Lot und Lots Weib“, das Rot-Weiß-Rot von Stuttgart übernahm. Lot ist Stadtrat, der das neue Gesetz, das Ehebruch erlaubt, vergebens bekämpft. Der Engel führt ihn mit seinem Weib aus der Stadti sie aber liebt einen anderen Mann und 6ehnt sich nach dem Ehebruch, dreht 6ich noch einmal nach ihm in der brennenden Stadt um und erstarrt. „Gott ist nicht grausam grausam ist ein menschliches Wort und Gott ist kein Mensch. Gott ist gerecht.“ (In Erinnerung der Schwierigkeit sowjetischer Schriftsteller, die zur Zeit in der russischen Zeitungen viel besprochen wird, im „Paradies Konflikte zu finden, fiel ein Wort dieser Städte auf: „In der Konfliktlosigkeit liegt da6 Glück.“) Die Aufführung war vorzüglich.

Der gleiche Sender brachte von Johann Boeck „Der Ungezeugte", ein sehr spannendes Hörspiel um Entstehung und (zwangsläufiges) Ende eines künstlichen Menschen. Die Ravag brillierte in einer nahezu vollendeten Aufführung von Max Melis „Apostelspiel“, Regie Hans Thimig.

Die Zeitschrift „Radio Wien hat ihren Umfang vergrößert, ohne damit ihr Niveau zu verbessern (von Vergleichen mit ausländischen Rundfunkzeitschriften sei abgeraten). Diese größere Seitenanzahl scheint aber nur versteckten Polemikern zu dienen, die schlechten Geschmack verraten und der Linken Wienzeile entsprungen sein könnten. So brachte das vorletzte Heft eine Reportage, „Fürsten ohne Land und Krone“, über Mitglieder ehemaliger Herrscherhäuser und Könige im Exil, die an taktlosen Bemerkungen nicht sparte. Doch selbst wenn diese Reportage taktvoller gewesen wäre: die Uberparteilichkeit des Sendeis Ravag müßte auch in seiner Zeitschrift gewahrt bleiben; es bleiben noch genug Aufgaben zu lösen.

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