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Russischer Meisterfilm

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Sand, Sand. Endlose afghanische Wüste. Fußstapfen eines Menschen. Erst geordnet, voll Kraft und Entschlossenheit, dann immer zerfahrener, müder, hoffnungsloser: die Schritte eines Taumelnden, Versagenden. Und immer wieder Sand, Sand, Sand. Dann eine Uniformbluse am Rande der Fußspuren. Dann der Uberschwung. Endlich das Gewehr: letzter Schutz des einsamen Wüstenwanderers. Dazwischen immer wieder ein Stück Wüste, ein Stück menschlicher Not.

Mit dieser Szene hat Mihail Rooms russischer Meisterfilm aus dem Jahre 1936 „Dreizehn“ das vorbildliche Beispiel einer wortkarg-vielsagenden Filmsprache gegeben. Es gibt niemanden, auch im naivsten Publikum, der diese Weltsprache nicht verstünde — mindestens damals, vor 14 Jahren, verstanden hat; denn seither ist uns ja manches davon durch die überdeutliche, gedankenfaule Geschwätzigkeit des modernen Dialogfilms wi-i der abhanden gekommen. „Dreizehn“ ist auch' sonst ein Wunderwerk an straffster Stoffformung und phantasieyoll flutender Symbole spräche. Eine Gruppe beurlaubter und abgerüsteter Rotarmisten nimmt auf dem Abmarsch durch die Wüste in schwierigster Position den Kampf mit einem zahlenmäßig überlegenen Partisanengegner auf und hält, unter ständigen Verlusten bis schließlich auf einen einzigen überlebenden, die wertvolle Stellung um den begehrten Brunnen, bis der ausgeschickte Kurier (die Eingangsszene!! die Kameraden der weit abgelegenen eigenen Garnison herbeirufen kann, Ein Drama, das kaum mehr als zwölf Stunden umfaßt, aber randvoll mit erregenden menschlichen Erlebnissen ist — die Kampfszenen sind dabei lediglich der dramaturgische Motor, niemals effektvolle Staffage oder gar Selbstzweck. Es gibt Szenen darin (der Wassertraum des im Sande Hingesunkenen, der Tod des vorletzten Kämpfers und andere), die im heutigen Film — auch im russischen! — nicht mehr denkbar sind. Die große Künstlerschaft und nicht zuletzt die maßvolle, zurückhaltende Zeichnung des Gegners (mit Ausnahme des ver-dammenswerten Wortes vom Ziel, das der gute Schütze hassen lernen müsse — ein Jargon, der jedem deutschen Uffz. Ehre machen würde) rücken zudem die Story aus jeder aktuellen Tendenz in die Sphäre allgemein menschlicher zeitloser Gültigkeit. „Dreizehn“ ist der weitaus beste. Film dieses Wiener Filmsommers. Es wäre trotz allem zu wünschen — und eine Herzensangelegenheit aller Menschen und Völker —, daß so hohe Kunst ausschließlich, noch eindeutiger in den Dienst des Friedens gestellt werde.

Den sommerlichen Durchschnitt überragen noch zwei ernste amerikanische Filme von Niveau, „Der Mann am Scheideweg“, ein Konflikt um Ehe, Krieg und Heimkehr, und „Besessen“, eine ehrgeizige Exkursion in die Abgründe der Tiefenpsychologie. Gesunde, saubere, Abenteuerluft atmen die gleichfalls amerikanischen Filme „Unter P i r a t e n f 1 a g g e“, „Wildwest rechnet ab“ und „Der S i 1 b e r k ö n i g“. Auch im heiteren Genre steht die duftige Musikalität der amerikanischen Komödie „I h r e beiden Verehrer“ hoch über den mit deutsdier Schwerfälligkeit inszenierten Ludwig Thoma: „M ü n c h n e r i n n e n“.

Eine unverdient unfreundliche Kommentie-rung durch einen Teil der in Wien erscheinenden Morgen- und Abendpresse hat die hochverdiente Kulturfilmarbeit Dr. Max Zehenthofers in der abendfüllenden Salzburger Kulturfilmreihe „W e 111 h e a t e r“, die anläßlich einer früheren Sonderaufführung hier schon gebührend gewürdigt worden ist, erfahren. Zur Beruhigung mag dienen, daß die unsachliche Invektive ausnahmslos aus Quellen erfolgte, die außerhalb der heimischen Gründe tröpfeln.

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