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Schweißlehrgänge für jedermann

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Seitdem im Jahre 1975 der letzte europäische Handwerker in San Meccanico im Alter von 90 Jahren gestorben ist, hat sich die Elite der Handels- und Gewerbekammern den Kopf darüber zerbrochen, wie man wohl am besten aus dem Leim gegangene Möbel wieder zurechtflicken könne. In Betracht kamen vorwiegend nur Versuche an Wohn- und Schlafzimmermöbeln. Bei Büromöbeln ist es schon lange der Brauch, daß die Stenotypistinnen defekt gewordene Bürosessel, Schreibmaschinentischchen und Aktenböcke zu einer Zeit aus dem Bürofenster werfen, wo gerade niemand unten vorbeigeht. Die städtische Sperrgutabfuhr holt dann die Trümmer für die Müllverbrennungsanlage. Der Chef kauft dann neue Möbel industrieller Fertigung. Das klappt sogar bei den Behörden, denn Stenotypistinnen sind sehr knapp geworden. Auf Büromöbel kann man verzichten; man bekommt ja neue. Neue Sekretärinnen bekommt man seit 1980 keine mehr.

Viel schwieriger erwies sich aber die Lage bei den Wohn-und Schlafzimmermöbeln. Junggesellen haben ja keine Zeit, die alten Möbel auf die Straße zu stellen oder zu werfen, und noch weniger Zeit, sich neue in die Wohnung zu schleppen. Früher gab es den Beruf der Möbelpacker, doch ist dieser auch ausgestorben. Die letzten Möbelpacker wurden vor etwa drei Jahren als Finanzbeamte eingestellt (Umschulungszeit sieben Tage). Bei Ehepaaren mit Trauschein, wie es sie vereinzelt auf dem Lande noch gibt, müssen beide Teile berufstätig sein, um das zweite Auto zu verdienen, das man heutzutage unbedingt haben muß. Da bleibt für die Möbelfrage auch keine Zeit mehr. Bei Ehepaaren ohne Trauschein lehnt erfahrungsgemäß die Frau Möbelschwerarbeiten ohnehin ab. Mutet man ihr so etwas zu, sagt Sie: „Dann gehe ich. Such dir eine andere.“

Das Wirtschaftsförderungsinstitut hat nun in Verbindung mit hervorragenden Erfindern völlig neue Weg beschritten. Nächste Woche beginnt der erste Schweißlehrgang für jedermann. Jedermann heißt hier wirklich: jeder Mann, doch sind auch Frauen herzlich willkommen, falls sie wirklich kommen wollen.

Im Schweißlehrgang für jedermann wird vor allem das Möbelschweißen gelehrt. In Verbindung mit der Entwicklung neuer Elektroden, die nicht zu heiß werden, kann man jetzt Möbel aller Art elektrisch schweißen. In seltenen Fällen ist auch das Punktschweißen möglich, doch erfordert dieses den vorherigen Abschluß einer zusätzlichen Feuerversicherung. Zusammengebrochene Betten stellt man zum Beispiel nur provisorisch zusammen, nimmt Möbeltrockenmasse und verschweißt diese mit dem neuen Schweißapparat nahtlos mit den alten Möbelteilen. Das Bett hält dann lange Zeit. Wahrscheinlich geht es viel früher an nicht geschweißten Stellen auseinander und kann dann dort wieder geschweißt werden.

Das neue Schweißverfahren erspart jungen Paaren überhaupt den Möbelkauf und spart dadurch auch industrielle Arbeitskräfte. Man kauft im Sägewerk Rohhobler, trägt sie nach Hause und schweißt sie je nach Bedarf zu Bettgestellen, Eßtischen, Kommoden usw. zusammen. Nimmt man dabei billiges Fichtenholz, so kann man sehr wohlfeil Möbel zusammenschweißen. Fallende Äste machen nichts aus. Mit Schweißtrockenholz werden die Löcher warm ausgegossen. Man kann hochkünstlerisch arbeiten, zum Beispiel alte Eichentruhen mit Hickory oder Teakholz mit sichtbarem Nahtsaum verschweißen.

Zu diesen Schweißaggregaten werden auch die erforderlichen Kenntnisse im Zerschneiden und Auseinanderschweißen vermittelt. Wird die Ehe aufgelöst und verlangt die Frau die Zugewinnhälfte heraus, so kann man ohne Mühe die Möbel in der Mitte auseinanderschweißen und dem ausziehenden Teil mitgeben. Wenn der neue Ehepartner auch einen solchen Schweißlehrgang besucht hat, richtet er der Frau rasch wieder ein wohnliches Heim her und schweißt es säuberlich zusammen.

Die neuen Schweißverfahren sind nicht billig. Aber irgendwie muß ja der Kaufkraftüberhang abgeschöpft werden.

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