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Sender und Hörer

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In seiner letzten Funkkritik über das abgelaufene Wiener Theaterjahr legte O. M. Fontana überzeugend genug dar, wie übel unsere Bühnen beraten sind, wenn sie ihren mageren Spielplänen immer wieder mit Erfolgstücken von einst aufzuhelfen versuchen, ja, er erblickte darin geradezu die Ursache der vfel-beklagten Theaterkrise, der nicht von außen her mit „Kulturgroschen“ und Publikumsorganisationen beizukommen sei, sondern die nur das Theater selbst aus sich heraus bringen könne, wenn es lebendig bliebe und dem heutigen Menschen Wesentliches zu sagen verstünde. Sollten diese Worte, gesprochen im Wiener Funkhaus, nicht auch für unsere Radiobühne vernehmbar gewesen sein, die, sicher zwar vor der Bedrohung durch finanzielle Krisen, zugegebenermaßen aus ihrer latenten inneren Krise nicht hinausfindet? Fast genau das gleiche trifft auch auf sie zu. Statt sich endlich ihren eigenen Boden aufzuschließen, wozu ihr freilich die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden müßten, holt sie sich aus den Beständen längst vorübergegangener Theaterjahre ein Erfolgstück um das andere hervor und läßt sie für den Rundfunk .einrichten“, eine Kunst, der man Achtung so wenig versagen darf, wie etwa der Geschicklichkeit des Schneiders, der einen Gehrock in eine ganz glaubwürdige Touristenjoppe zu verwandeln versteht.

Es sei indessen gerne festgestellt, daß Diderots Schauspiel „Die Marquise von Arcis“, in Sternheims Nachdichtung vor dreißig Jahren am Volkstheater aufgeführt, auch für die Radiobühne so etwas wie das gewisse „große Theater“ ergab, oder daß die Schauspielerkomödie „Eine königliche

Familie“ von Kaufmann und Ferber, gleichfalls vor Jahrzehnten in vortrefflicher Besetzung eine Paradevorstellung des Burgtheaters, auch im Rundfunk ihren turbulenten Witz zu entfalten vermochte. Minder gut schlug es dem einstens am Burgtheater so erfolggekrönten Legendenspiel Nüchterns Von den vier Rittern und der Jungfrau“ an, daß es, lediglich auf seine edle Verssprache gestellt, um die reichen optischen Wirkungen gebracht wurde, die ihm die bewegten Szenen seiner Historie ermöglichen. Eine temperamentvolle und erstaunlich gute Aufführung von Rices „Die Rechenmaschine“, als Gastspiel des Studios der Hochschulen auf der Funkbühne, bedeutet nur sehr bedingt ein Wagnis und Experiment“, denn die Diskussionen, zu denen das phantastisch überhitzte „Gegenwartsstück“-allenthalben herausfordert, dürften in seiner amerikanischen Heimat schon seit etlichen Jahrzehnten abgeschlossen sein.

Eindringlicher als all dies rücken etliche Neuheiten der Radiobühne in das kritische Blickfeld, weil sich in ihnen immerhin ein Bemühen um das ersehnte arteigene Hörspiel kundgibt. Mit der Uraufführung der „Chronik der Theresia Pfanzaglin“ scheint sich in Trade Payer eine Begabung anzumelden, die dem Volksstück Sicherang seines Ranges auf der Hörbühne verheißt. Höhergesteckten Zielen strebt Hubert Haslinger mit seinem. Hörspiel „Der Auftrag an Petrus Bergström“ zu, das er „ein Zeitspiel“ nennt, und das in der Tat wie ein beschwörender Mahnruf in unsere Zeit gestellt ist. An dem Beispiel des Bürgermeisters eines Fischerdorfes will es künden, daß echter Friedenswille und Gewalt nebeneinander nicht Raum haben und daß wer von oben den Auftrag empfing, das Reich des Friedens auf Erden zu mehren, damit nur mit Taten der Güte vom Menschen zum Menschen beginnen darf. Ein in der Form wie in der Idee gleich bemerkenswertes Hörspiel. Auf andere Weise wieder überrascht auch Hans Herberts tragisch umwölktes Hörspiel „Der Maler Moll“, nämlich durch die ungewöhnliche Zartheit, mit der es seelische Beziehungen zwischen drei Menschen unausgesprochen fühlbar zu machen versteht. Ein dramatisch ergiebiger Stoff. Einen vollkommen neuen Weg zeigt dem Hörspiel die Szenenfolge .Till Eulenspiegel“ von Otto Ambros. Sie bringt nicht etwa eine willkürliche Deutung der sie begleitenden symphonischen Dichtung von Richard Strauß, sondern eine geniale dramatische Paraphrase um diese und überzeugt schon allein dadurch, daß sie sich an schriftliche Hinweise des Komponisten in der Partitur sowie an seine mehrfachen mündlichen Bemerkungen zu den einzelnen Themen hält. Hans Brecka

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