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„Über der Weichsel drüben ..."
Gesammelte Werke von Agnes Miegel. Band I: Gesammelte Gedichte: Band TI: Gesammelt Balladen; Band III: Stimme des Schicksals. Erzählungen, erster Teil. 200, 212, 396 Seiten. Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf. Preise: 9 80, 9.80 13-80 DM.
Gesammelte Werke von Agnes Miegel. Band I: Gesammelte Gedichte: Band TI: Gesammelt Balladen; Band III: Stimme des Schicksals. Erzählungen, erster Teil. 200, 212, 396 Seiten. Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf. Preise: 9 80, 9.80 13-80 DM.
Vor dreiundfünfzig Jahren erschienen die ersten Gedichte der Miegel in Buchform, nachdem schon früher, 1899, Borries von Münchhausen im Göttinger Musenalmanach Verse des einstigen „Pensionsmädels von Weimar" veröffentlichte. Die erste Prosa lag 1926 in dem Buche „Geschichten aus Altpreußen" vor. Erst hatten Gräfe und Unzer m Königsberg ihr ein Heim geboten, dann war es die große Tat Diederichs, damals noch Jena, daß er jener Frau weltweites Gehör verschaffte, die vor kurzem fünfundsiebzig Jahre alt wurde. Fs gibt nur wenige Frauen, denen in den letzten Jahrzehnten eine derart uneingeschränkte Anerkennung, W’O nicht Liebe zuteil ward. Selbst die große Droste ist auf ihrem windumbrausten Schloß eigentlich einsam gestorben — Meersburg — wie eigen, daß bei der unvergeßlichen Vorfahrin der Ballade das Wort Meer mitklingt. Die Balladen der Miegel — oft gedruckt, oft gesprochen auch von der Dichterin hier in Wien, der Stadt, die sie liebte, nach der auch heute noch ihre Erinnerung geht — diese Balladen — man hat bei ihren brausenden Klängen wie Meeresrauschen. Brandung. Kieselgeroll, Dünenrauch und Wildentenflug beinahe vergessen, daß Agnes Miegel auch reine Lyrik schrieb; daß dort Naturbild und Naturansicht unnachahmlich zusammenfließen; daß dort ein mütterlicher Laut zu vernehmen war. verloren wie ein Amsellied unter Hämmern, schlicht, voll oft verhaltener Liebe, mütterlich warm; daß sie eben deswegen die Jugend so ergriff, daß man wohl sagen könnte, es habe keine Frau so viele Kinder besessen.
Die „Gesammelten Gedichte" von 1927 vereinigten 79 Werke. Die nun vorliegenden beiden Versbände deren 159. Es ist Neues dazugekommen. Das verlangte Neureihung. Seltener sind Titel Gerda statt Maria geändert oder unwichtigere Beifügungen „In memoriam Otto C." weggelassen worden. Der erste Band gliedert sich in die zwei Abschnitte „Stimme der Herzens" und „Stimme der Heimat". Schon darin liegt ein tiefer Bezug, eine Wechselwirkung: eine Oktave wird angeschlagen. In dem letzten Abschnitt begegnen wir den erschütternden Versen, in denen das Erlebnis des Krieges und der verlorenen Geburtsheimat jedermann, auch wenn seine Wiege nicht am Pregel stand, ergreifen. „Abschied von Königsberg"; „Wagen an Wagen"; „Dem Gedächtnis der Tiere"; „O Erde Dänemarks"; „Brot"; ..Es war ein Land"; „Weihnachten der Flüchtlinge"; „Bekenntnis". Persönliches Geschick wandelt sich ins allgemeine und darüber: „Lehrtest mich täglich aufsmeue, nichts als den Haß zu hassen." Das Mütterliche dieser leidgeprüften Frau erkannte, daß nur die Liebe Gerechtigkeit fordern darf. — Ueber den Balladenband noch besonders zu schreiben, wo heutzutage Stücke daraus in den Schullesebüchern stehen, erübrigt sich. Aber man darf noch betonen, daß neben der Geschichts- und Mythenschau der Miegel noch gleichberechtigt das allklassische Gleichnis einer „Leda" und eines „Augustus" steht; daß nicht das Abendland allein, sondern auch das Morgenland aufscheint: Orient und Okzident untrennbar.
Im ersten Bande der Erzählungen es werden ihm noch zwei folgen und außerdem ein Band Märchen und Spiele, womit die Gesammelten Werke also sechs Bände zählen: Da sind di „Geschichten aus Altpreußen" und die Erzählungen des Buches „Gang in der Dämmerung" teilweise vereint, andere kamen dazu, so das 1937 allein erschienene „Bernsteinherz". Keine Erzählung, in der jener berühmte Falke des bewegenden Einfalls nicht die Schwingen lüftete.
Was mag es sein, daß uns diese Bücher so heimelig vorkommen? Es mag sein, daß die gleichen Buchen es sind, die im Samlande wie im Wienerwalde flüstern; daß sich die Schirme der Föhren bei Rauschen so wiegen wie in der Brühl; es ist die gleiche Sonne, die heute, ja, heute noch über die Luisenallee streift, und die Linden an der Südwand des Domes von Königsberg duften wie in Lofer: das mag sein — die Miegel kommt ja aus Salzburger Ahnenland. Weinheber mochte es andeuten, wenn er einst in dem „Akrostichon für Agnes Miegel" schrieb: „Ferne Stimme, streng und doch verwandt..
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