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Vier Gedichte

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Im Fenster das rauschende Ackerland, windhauchgestreift,

blausamtene Berge, von bauschigen Wolken umringt,

ein Birnbaum im Garten, der mächtig und wunderlich reift

und strotzende Früchte im grüngold'nen Blätterwerk schwingt.

Gekläff eines Hundes ins Dunkle der Stube herein.

Ein Bauernbub leise und seligen Kindmutterblicks

am kostbar geschnitzten, bemalten, sanft wiegenden Schrein.

Und dämmernd im Winkel ein uraltes Holzkruzifix.

Der Wind hat jetzt nach Westen abgedreht

und mischt der Glut des Tags des Abends Falbe,

Und eine dunkle Sichel ist die Schwalbe,

die dort die grünen Wolkenhalme mäht.

Sie fallen, gilben... Und daneben fällt des Mohnes feuerrotes, grelles Brennen. Schwarzgründig öffnen sich die Himmelstennen und schlucken alles Glüh'n und Sprüh'n der Welt.

Der Sonne Silberdistel schließt sich sacht. Und rossedröhnend murrt die düsfre Ferne. Vom Huf der Gäule splittern gold'ne Sterne und stieben blitzend durch den Qualm der Nacht.

Schon überwächst sie schwarz den Horizont, verkündend: Wieder ist ein Tag vergangen. Was fortgeht, läßt sich niemals mehr erlangen . . Im Osten aber tröstet sanft der Mond.

Wie unsichtbar im Laub die Schiffchen schweben! Sie knistern wie ein Korb, so fein und schwach. Der Regen spinnt mich leise in das Weben der Wasserfäden unterm Blätterdach.

Aufsilbernd flimmern sie. Und ihr Gefunkel wirkt einen Teppich, der vorüberschießt. Ich träume Farben in das Wetterdunkel und lausche, wie der Regen surrt und fließt.

Schon bin ich in die Bilder aufgenommen, die er geläufig in die Bahnen knüpft, ein alter Riese, glitzernd und verschwommen, indes die Tropfentrommel um mich hüpft.

Den Goldhelm, den der Himmel trägt, setz, Herr, auf meinen Traum. mtftaiü .ilrwldtsjj.iuMsifcsÄiuf, ''dai 'Haut -find pochend schl8g1$nL liebkose mit, dem Saum des Mantels, der dich kühl umglänzt. Vermodre meine Kraft für diese Nacht nur, sternbekränzt. Tu ab die Wanderschaft von meinem ruhelosen Sinn, den lang kein Segen traf, und nimm mich in den Frieden hin, umhülle mich mit Schlaf. Du sänftigst ja die Blumen auch, hold tauend erdenwärts: Warum denn nicht, wie Baum und Strauch und Wald, auch — Herr — mein Herz?

HERBERT STRUTZ

Ein Mann der Mitte

Oskar Maurus Fontana — In memoriam

Geboren ist Oskar Maurus Fontana in Wien am 13. April 1889 und hier ist er gestorben. In dieser weiten Spanne Zeit von 80 Jahren war der Mensch so vielen Verwandlungen und Wandlungen ausgesetzt, daß man mit Recht variiert von ihm als Mann das feststellen kann, was er einmal von einer Schauspielerin sagte: „Er hat die Verwandlung und das Wesen, Werden und Sein, Natur und Seele.“ 1914 schon versuchte sich der Dichter und Schriftsteller als Dramatiker mit der Komödie „Die Milchbrüder“, von Berthold Viertel in der „Wiener Volksbühne“ inszeniert, der bald das Stück „Mark“ auf der „Neuen Wiener Bühne“ folgte. Im ersten Weltkrieg war er Offizier in einem österreichisch-dalmatinischen Regiment in Serbien, nach seiner Rückkehr zuerst als Theaterreferent, ab 1923 schon als ständiger Theaterkritiker beim „8-Uhr-Abend-Blatt“ und beim „Tag“ tätig. In der Zeit 1938/45 hatte Fontana seine schriftstellerische Tätigkeit fast ganz un-

terbrochen, 1945 übernahm er das Kunstreferat im „Neuen Österreich“, war maßgebend an der Gründung des „österreichischen Schriftstellerverbandes“ beteiligt und ab 1952 auf mehr als ein Jahrzehnt zu dessen Präsident gewählt.

Als Schriftsteller begann Fontana mit der expressionistischen Richtung, was vor allem in seinen Novellenbänden deutlich wird. Persönliches Kriegserlebnis stellt der Band „Empörer“ und sein Roman „Erweckung“ dar. Dieses Werk erscheint nach 1945 unter dem Titel „Die Türme des Beg Begouja“: Neu, farbenfreudig schildert es den serbisch-mohammedanischen Teil des ehemaligen Österreich. Aber der größere Erfolg stellte sich mit dem Roman „Die Gefangene der Erde“ (1928) ein, wofür er 1929 den Literaturpreis der Stadt Wien erhielt. Sein Thema: Eine blutvolle Serbin ringt sich im Wien der Nachkriegszeit durch. „Der Weg durch den Berg“ (1936) — der Roman des Gotthard-Durchbruchs — folgt, damit wird die Richtung

Nach 1945 erscheint der Roman „Der Sommer singt sein Lied“, der mehr die landschaftlichen Schönheiten als die problematischen Eheverwicklungen des geschilderten Personenkreises zeichnet. Der Roman „Der Engel der Barmherzigkeit“ (1950) nimmt das Leben von Florence Nightingale zum Vorwurf, der großen Krankenschwester, die für die Gründung des Roten Kreuzes neben Dunant maßgeblich wird. Ein Roman der Technik ist dann das große Buch Fontanas „Der Atem des Feuers“. Hier wird die Entwicklung der Gasenergie in

menschlichen Schicksalen lebendig. Die letzte literarische Publikation Fontanas führt in seine jungen Jahre zurück, in denen er die Novelle als Erstrebenswertestes der Dichtungsgattungen ersah. Das Büchlein „Mit der Stimme der Sybille“ (1958) enthält eine Anzahl von Novellen, die zum literarisch Wertvollsten gehören, das Fontana geschrieben hat. Novellen, wie die Geschichte der Helena, die aus Troja flüchtet, oder des jüngeren Gracchus, der sich weigert, die Aufgabe seines älteren Bruders zu übernehmen, gehören zur großen österreichischen Prosa. In seinem letzten Jahrzehnt wendet sich Fontana so gut wie ausschließlich dem kulturkritischen und essayistischen Bereich zu, unter anderem eine Festschrift zum Volkstheater-Jubiläum (1889—1964), schließlich seine letzte große Arbeit über „Hans Moser“ (1965). Oskar Maurus Fontana muß in der Zusammenschau als ein Mensch der Mitte gesehen werden, als der Beharrende in der Veränderung, in dem Freude und Mut und keine Angst ist. Seine in sich ruhende Persönlichkeit, sich erschöpfend, aber nicht erschöpft in einem überaus tätigen Leben, ist voll der guten Kräfte einer satten Erde, die in der Stadt ebenso in ihm lebendig geblieben sind. Denn leben konnte er nur in der Stadt, wo die Ent-

scheidungen fielen, aber die Erde blieb ihm immer im Gefühl, nährend und befeuernd und mütterlich. So sehr er Österreich, den Vater, und Wien, die große Mutter, diese geliebten und verehrten Eltern umfängt, muß doch auch Erhard Buschbecks Wort zitiert werden: „Er ist herber und härter als die Wiener literarische Schule.“ Das Wort ist richtig, denn gebildet und geschult hat er sich einstmals an Herbert Eulenberg und Wilhelm Schmidtbonn, deren Dichtkunst ja aus einem anderen Atem kam. Drei Grundzüge lassen sich an Oskar Maurus Fontanas weitgespanntem Werk der Prosa und des lyrischen Rhythmus, seiner Dramatik und der dramatisch gestalteten Novelle, der überlegenen und einfühlenden Kritik wie des überschauenden und verstandesklaren Essays feststellen: Klarheit, das Bildhafte und die Künderschaft vom Seelengrunde. Aus diesen Kräften schöpfte er, und er ging seinen Weg zu seinem Werk in der gleichen Weise, wie er ihn nachdrücklich in seinem Roman „Der Sommer singt sein Lied“ als Faksimile seiner Handschrift aufzeichnete: „Gott sucht den Menschen, der Teufel findet ihn. Das ist unsere Tragik. Wer darum Gott nicht entgegengeht, den hat der Teufel bald ganz mit Haut und Haar!“

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