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Wer hat wen verraten?

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Der Titel, unter dem die deutsche Ausgabe von Peter Tompkins' Buch „Italy betrayed“ vorgelegt wurde, ist — zügegeben — sehr werbewirksam. Ein Beitrag zur Völkerverständigung ist er nicht. Ist er doch nur geeignet, das von dem Großvater und Vater des „Herrn Karl“ auf Sohn . und Enkel vererbte Klischee vom „Katzeimacher“, vom allzeit Verrat sinnenden und deswegen moralisch minderwertigen Italiener zu festigen. Eine solche „Nebenwirkung“ mag auch nicht ganz den Intentionen des Autors entsprechen.

Peter Tompkins, der als Mitglied der OSS mithalf, das alliierte Spionagenetz im deutsch besetzten und von Mussolinis letzten Getreuen verwalteten Italien zu knüpfen, wollte eher seinen italienischen Freunden und Mitarbeitern vom Nationalen Befreiungskomitee ein schriftstellerisches Denkmal setzen und darstellen, wie die Männer der gemäßigten Mitte und der demokratischen Linken Gefahr liefen, durch alliierte Kurzsichtigkeit gegenüber listenreichen Höflingen und Opportunisten, für die der Name Badoglio nur eine Chiffre ist, den kürzeren zu ziehen. Um aber drastisch darzustellen, mit welchen Leuten sich die Alliierten eingelassen und wessen geborstene Macht sie beinahe gestützt hätten, rollt der Verfasser wieder einmal den Film von den dramatischen Tagen des Juli 1943 ab, in denen zunächst Mussolini von König Victor Ema-nuel III. gestürzt und unter der Ministerpräsidentschaft Marschall Badoglios der Übergang ins alliierte Lager vorbereitet wurde. Nach Tompkins' Aussage hatte die ganze royalistische Verschwörung nur ein Ziel: dem König eine Möglichkeit zu geben, von den Deutschen zu den Alliierten überzugehen, „ohne einen Schuß abzufeuern und, was noch wichtiger war, ohne selbst einen abzukriegen“. 60 italienische Divisionen mußten deswegen Gewehr bei Fuß stehen, damit 60 Kraftfahrzeuge mit dem König, seinem neuen Premier, den wichtigsten Offizieren des italienischen Oberkommandos und, nicht zu vergessen, mit dem kostbaren Kronschatz Rom verlassen und unter alliierten Schutz sich begeben konnten. Diesem wenig heroischen „Umzug“ setzt der Verfasser die Kampfbereitschaft und den Kampfeswillen der italienischen Partisanen entgegen.

Tompkins fühlt sich als ehemaliger Geheimdienstmann vom Milieu der Verschwörungen und Gegenverschwörungen auch als Schriftsteller angezogen. Das hat er schon in dem Buch „Mord für Frankreich“ (vergleiche „Die Furche'“ Nr. 20 vom 20. Mai 1967) eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der italienische Schauplatz des Sommers 1943 steht dem nordafrikanischen des vergangenen Winters in keiner Weise nach. Auch hier mischten die verschiedensten Köche mit, und sehr handfeste materielle Interessen kamen ins Spiel. Tompkins' freimütig als sub^-jektiv ausgegebener Bericht liest sich wie eine klassische „Räuberpistole“. Wenn es nicht in allen Einzelheiten so war, so könnte es tatsächlich gewesen sein. Mitunter läßt der Verfasser freilich seiner Leidenschaft zu sehr die Zügel schießen. Das Haus Savoyen war ohne Zweifel durch seine jahrzehntelange Verbindung mit dem Faschismus auf das schwerste kompromittiert und auch sonst reif zum Abtritt von der- Bühne der Geschichte. Dennoch sollte man Churchill nicht so herb tadeln wie der Verfasser, weil dieser sich am zähe-sten einer abrupten Abservierung Victor Emanuels III. und der Bado-glio-Regierung widersetzte. Die Befürchtungen, daß die Kommunisten aus der drohenden Anarchie letzten Endes als einzige Sieger hervorgehen könnten, waren damals — wie wir heute wissen — nicht von der Hand zu weisen. Wenn Tompkins die Naivität der Amerikaner rügt, sich lieber mit Opportunisten und „Monarcho-Faschisten“ zu arrangieren als mit den Kräften einer italienischen Demokratie, so ist uns aus jenen Jahren eher eine andere alliierte Naivität in Erinerung: Jene, die jedem Kommunisten die gleiche Hochachtung gegenüber der Demokratie und ihren Spielregeln zuzubilligen bereit war wie einem Angehörigen des Hauses von West-minster. Wehe, wenn man damals zur Zurückhaltung riet. , Im Handumdrehen wurde man zum „Faschisten“ gestempelt. Die Fehleinschätzung, die Tompkins rügt, kennen wir eher aus der jüngsten Vergangenheit — um nicht zu sagen aus der Gegenwart. Wehe, wenn man heute gegen verschiedene Tendenzen, die sich wieder bemerkbar machen, und ihre Wortführer zu laut polemisiert. Gleich ist man als einer, der „Schützenhilfe für die Kommunisten leistet“, „entlarvt“.

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