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Wider den Nihilismus

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…NADA.“ Roman. Von Carmen Laforet. Bachem-Verlag, Köln. 298 Seiten. Preis 13.80 DM.

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…NADA.“ Roman. Von Carmen Laforet. Bachem-Verlag, Köln. 298 Seiten. Preis 13.80 DM.

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Die spanische Schriftstellerin Carmen Laforet bewies schon in ihrem Roman „Die Wandlungen der Pauline Goya" die Gabe, in trostlosen Situationen einen Hoffnungsschimmer zu entdecken und die Möglichkeiten eines Neubeginns auf tragbaren Grundlagen aufzuspüren. Die gleiche, letztlich positive Einstellung zeichnet auch das neue Buch der Autorin „.. .nada“ aus. Sie erzählt darin die Geschichte eines jungen spanischen Mädchens, dessen wahrlich dunkle Erfahrungen und herbe Enttäuschungen sie nicht in den Nihilismus treiben, wie das, wenn wir gewissen Filmen und der üblichen

Literatur über die junge Generation Glauben schenken wollen, nahezu unvermeidlich scheint. Nun darf man bei Carmen Laforet aber nicht etwa eine billige Verklärung oder Banalisierung der Schwierigkeiten eines jungen Menschen unserer Zeit erwarten. Die Umwelt, in die sie ihre Andrea stellt, hat neben der symptomatischen Problematik der heutigen Jugend noch ihre ganz persönlichen und besonderen Tücken.

Die elternlose Studentin kommt nach Barcelona mit „wilder Hoffnungsfreude und heißer Lebenssehnsucht", die allzu schnell zunichte werden in der verdorbenen Atmosphäre des Hauses ihrer Großmutter. Mit hintergründiger Phantasie schildert die Autorin die gespenstische Gesellschaft von Verwandten, der Andrea sich hier gegenübersieht. Alle sind sie aus der Bahn einer ehemals geordneten und sicheren bürgerlichen Existenz geworfen; in ihrer Hilflosigkeit einander nun belauernd und bekämpfend, die innere und äußere Abhängigkeit voneinander grausam ausnützend, um sich immer neue Wunden zu schlagen. Welche makabren Verstrickungen zwischen den feindlichen Brüdern Juan und Roman werden da offenbar, zwischen denen Gloria, die Frau des einen steht. Oder diese aufreizend „unechte Heiligkeit" der herrschsüchtigen Tante Angustias, die alle mit ihrer pharisäischen Moral tyrannisiert und schließlich Nonne wird, „um ihren Ruf wiederherzustellen".

Das ist die eine Seite dieses unerträglichen Lebens. Aber inmitten der wilden Ausbrüche von Haß und Feindschaft aller gegen alle gibt es Augenblicke, in denen Geduld und Liebe auch in dieser gespenstischen Atmosphäre triumphieren. Und nicht nur Augenblicke! Die leichtfertige Gloria bringt es niemals fertig, die Flucht aus diesem Inferno zu ergreifen, weil sie weiß, daß sie gebraucht wird, und weil sie die glückliche Vergangenheit mit Juan nicht vergessen kann. Andrea, die das Leben verabscheut, in das sie da plötzlich hineingerissen wird, und die versucht, sich draußen zu halten, erfährt schließlich in ihrer Auflehnung und ihren Enttäuschungen die unausweichliche Verflochtenheit mitmenschlicher Beziehungen und lernt echte Anteilnahme, die sie besser und reifer macht. Und in allen wirren, dunklen Geschehnissen behauptet sich unangefochten die selbstlose Güte und kindliche Einfalt der alten Großmutter, die Sein und Schein so gut zu unterscheiden vermag.

Auf diese Unterscheidung kommt es Carmen Laforet letztlich an. Sie entlarvt schonungslos die Hintergründigkeit des menschlichen Herzens; sie schildert das Böse und Dämonische in seiner Urgewalt. Aber, sie zeigt auch in 'einigen ihrer Gestalten den rettenden Ausweg. „Echte Freundschaft hielt ich für ein Lügenmärchen, bis ich dich kennenlernte — so wie ich die Liebe für ein Lügenmärchen hielt, bis ich Jaime kennenlernte“, sagt Ena, Andreas schöne und begabte Freundin.

Der Ausgangspunkt der Jugend, die Carmen Laforet schildert, ist der gleiche wie bei Sartre, der Sagan oder Michele Perrein. Aber bei der Spanierin werden die nihilistischen Tendenzen ihrer jungen Menschen überwunden in der verpflichtenden Bindung an den Mitmenschen. Das sind ungewohnte Aspekte, die Welthaltung der jungen Generation betreffend, die von den negativen Grenzfällen abzustempeln so modern geworden ist. Die sympathische spanische Autorin hat dieses einseitige Bild erfreulich erweitert. Zudem ist diese Gegenspielerin des französischen Existentialismus eine sehr begabte Schriftstellerin, deren bildkräftige Sprache den Leser ebenso fesselt wie ihr menschliches Engagement.

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