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„ Gestatten: Prof. gegen..."

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Ich zittere vor Ehrfurcht. Wohin ich auch schaue, belehren statt begrüßen mich zahlreiche und noch dazu immer jüngere Professoren für Balneologie, für Spät-Byzantinistik,yür Politologie allein(v)erziehender Frauen; von solch unerläßlich notwendigen Wissenschaften, wie die für prähistorische Musikpsychologie ganz zu schweigen.

Merken Sie, lieber Mitleser und (hoffentlich) Gegendenker? Diese subventionsnotwendigen Wissenschaftsund Forschungsaktivitäten haben etwas gemeinsam: Sie sind alle für etwas zu- und -ständig in den Medien präsent.

Ein Geständnis am Rande dieser Gelehrten-Gesellschaft: Einst wollte auch ich dazugehören. Mich haben diese bösen Buben (an „böse Mädchen" traue ich mich in unserer „Emanzen-Diktatur" nicht einmal zu denken und außerdem verbietet es mir meine Frau) nie mitspielen lassen. Ich war zunächst zu jung, dann zu alt und außerdem fehlte mir der „wissenschaftliche Ernst". Deshalb traute ich mir kein ernstzunehmendes Studium zu. Ich bin Soziologe geworden.

So weit, so ungut - für meine Zunftgenossen. Als Soziologe - ich bekenne mich schuldig - wollte ich weder die Welt verändern, noch die Menschheit über Gebühr mit revolutionären Thesen beglücken und auch die Arbeiterkammer brauchte damals noch keinen Konsumentenberater. Deshalb wurde ich Beamter. (Bitte, jetzt keine Witze über „leistungsgerechte Entlohnung" zu machen, weil ich dem Staat nicht so viel zahlen kann ...)

Zurück zu meinen soziologischen Zunft- und auch anderen Genossen. Daß ich nicht bereit war, Barrikaden aus Büchern zu bauen, das hätte mir die Kollegenschaft noch verziehen. Viel schlimmer jedoch: Ich habe das Soziologen-Latein nie erlernt und daher war ich von Anfang an außerstande, die Kompliziertheit des Schreibens bis zur absoluten Unkenntnis hochzustilisie-ren. „Grundstrukturanalysen" waren mir ein Leben lang genauso fremd wie „kohärente Substanzlosigkeit" oder „aggregative Variablen", die man zwar alle am großen (Nasch-)Markt der professoralen Eitelkeiten findet, aber nicht in meinen Arbeiten.

So fühle ich mich manchmal als „Prof. gegen (die) Soziologie" und weiß nicht, welchen „Sinn" diese vielen Gelehrten „für" ihre Wissenschaft inmitten ihrer neudeutschen Amerikanis-men „machen" sollen. Ich kann auch mit einem so simplen Begriff wie die „Befindlichkeit" mehr gallig als herzlich wenig anfangen. Wenn ich mich nämlich irgendwo „befinde", so finde ich dort nie eine „Befindlichkeit", sondern höchstens interessierte Weghörer, die mit meinen simplen Ausführungen über Gott und die Welt nichts anfangen wollen. Ich bin auch kein „postmoderner" Mensch, weil ich in unserer Post nichts Modernes sehe. Noch eine Geheimnislüftelei: Ich besitze auch kein wissenschaftliches „Instrumentarium", wenn ich von einem Hammer (die dazu passende Sichel habe ich in Ungarn gelassen), zwei Schraubenziehern und dem Wunsch meiner Frau, diese nie zu benützen, absehe.

Als „Prof. gegen (die) Soziologie" habe ich die Liebe (von Akzeptanz war ohnedies nie die Bede) meiner Soziologen-Kollegen anscheinend unwiderruflich verspielt.

Ich muß damit leben. Manchmal gar nicht so schlecht.

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