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Im Bann von Naturmächten

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GESAMMELTE ERZÄHLUNGEN. Von Friedrich Georg Jünger. Bücher der Nuniehn. Carl-Hanser-Verlag, München, 1967. 416 Seiten, Leinen. DM 12.80.

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GESAMMELTE ERZÄHLUNGEN. Von Friedrich Georg Jünger. Bücher der Nuniehn. Carl-Hanser-Verlag, München, 1967. 416 Seiten, Leinen. DM 12.80.

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Friedrich Georg Jünger, der seinen beruflichen Weg als Jurist begann, sich dann in der deutschen Literatur einen Namen als Lyriker und Essayist von Rang machte, hat sich erst nach dem zweiten Weltkrieg der erzählenden Prosa zugewandt. Neben zwei Erinnerungsbänden und zwei Romanen entstanden nun zahlreiche Erzählungen, von denen jetzt der Autor die ihm wichtigsten in einem Sammelband zusammengefaßt hat.

Wenn sich in den frühen Erzählungen noch ausgesprochen essayistische, von Reflexionen überwucherte Partien finden, sind die späteren von großer erzählerischer Prägnanz; sie strahlen in ihrer Verhaltenheit und meditativen Versponnenheit suggestive Kraft aus. Die Ereignisse werden nun aus der Besonderheit der jeweiligen Charaktere und ihrer Lebensumstände entwickelt.

Es geht Jünger, wie er einmal in seinem Roman „Zwei Schwestern“ sagt, um „die Verknüpfung entscheidender Begebenheiten und die Anfänge ganzer Lebensepochen durch winzige Anlässe, durch kaum wahrnehmbare Bewegungen “ Die immer neu gestellte Frage nach den geheimen Zusammenhängen, nach Ursache und Sinn von Lebensschick- salen, mündet in der Einsicht einer Gebundenheit des Menschen, der er nicht entrinnen kann und die ihn damit weitgehend eigener Verantwortung enthebt. Den menschlichen Begegnungen seiner Gestalten haftet etwas Episodisches, Flüchtiges an, sie sind ohne Zukunftsverheißung. Nach Beständigkeit und Bewährung wird nicht gefragt, von Ehe und Zusammenleben ist selten die Rede.

daß wir nichts halten können,

daß alles ungewiß ist..heißt es einmal. Und doch bleibt das Vergangene im Gegenwärtigen aufgehoben. „Im Abschied lag, verborgen wohl, aber gewiß die Zukunft..Sehr deutlich wird diese Auffassung in der Erzählung „Wiederkehr“, in der ein Mann, wider Willen zunächst, in ein Liebeserlebnis hineingerissen wird, das er dann doch nie vergessen kann: „Er war nicht mehr losgekommen vom Vergangenen. Nie mehr hatte er sich freimachen können von der Anmut dieses Körpers und seinen zärtlichen Bewegungen. Seine Sinnlichkeit war nicht nur bis ins Mark getroffen, sie wurde auch gebunden, gefesselt. Zwischen ihn und jede Umarmung schob sich die verlorene Geliebte “

Oder die Erzählung „Die Pfirsiche“. Auch hier kann ein Mann die Frau nicht vergessen, von der er nichts als ein triebhafte Umarmung wollte. Bei einer späteren zufälligen Begegnung heißt es:

„Er begriff jetzt etwas, das ihn früher nie in den Sinn gekommen war er begriff, daß dieser Körper : kein Spielzeug, sondern eine Macht war, gegen d&e er nichts einzusetzen hatte, daß sein Verstand und sein Wille ihn nicht gegen sie schützen konnte “

Urmächte und -kräfte werden hier beschworen, denen der Mensch unentrinnbar ausgeliefert scheint. Eine, man möchte sagen, „heidnische“ Grunidstimimung herrscht in den Erzählungen vor. Der Sieg der „Natur“ wird nicht nur hingenommen; er wird, wie Curt Hohoff es formuliert, „als göttlich verstanden“. Aber er führt auch in eine Melancholie, die ebenso verführerisch wie gefährlich ist.

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