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Kunst der Kinder und Dilettanten

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Die Kunsthalle in der Zedlitzgasse gibt einer Ausstellung der „Künstlerischen Volkshochschulen" Raum, die kn Rahmen des Volksbil- duAgswerkes Dilettanten aller Alters- und Volksklassen, dem Kind gleichermaßen wie dem Greis, Gelegenheit bieten, dem Bedürfnis nach künstlerischer Äußerung, das im täglichen Leben dieser Zeit so oft unbeachtet bleibt, nahzugehen, Wie immer in solhen Ausstellungen sind auch in dieser die Arbeiten der Kinder am schönsten und stärksten. Immer wieder wirkt die Sicherheit, mit der Sechs- und Siebenjährige, wenn man sie nur gewähren läßt, urtümliche Vorstellungsbilder aus sich herausholen und au das Zeihenblatt Zu projizieren, erstaunend und ersh redeend. Erschreckend deshalb, weil man hier einem Phänomen gegen- iibersreht, das auch die Psychologen nicht vollständig zu erklären vermögen: daß nämlih ein Kind, ohne aus der Erfahrung zu schöpfen, ohne von der Realität beeindruckt zu sein, dennoch Bilder, wirkliche Bilder urtümlicher Art zu schaffen vermag — und dies in einem gleichsam automatischen, nicht durch das Bewußtsein geregelten Arbeitsprozeß. Die Bilder, die das Kind malt, gleichen bis ins Kleinste jenen, die wir in primitiven oder urzeitlihen Kulturen oder ber auch in unseren alten Märchen vor finden. Eine innige und phantastische Beziehung zu den Dingen spiegelt sich in ihnen.

Ober die Arbeiten der Erwachsenen ist weniger zu sagen, es sei denn, man wollte über die Liebe und Sorgfalt sprechen, die in ihnen zum Ausdruck kommt und die allerdings die einzigen Kriterien sind, die vor Dilettanten- arbetten verwendet werden können. Im ganzen wirken sie überraschend stilgleich, ein zurückhaltender Impressionismus, wenn man schon einen Stilbegriff anwenden will, scheint die erstrebte Regel zu bilden. Ob dies Folge der Schulung ist oder weil diese Kunstrichtung anders als zum Zeitpunkte ihrer Entstehung unterdessen allgemein anerkannt und ihre Werte geschätzt werden, können wir nicht entscheiden.

Erfreulich ist, daß offensichtlich weder von den Lehrern noch von den Schülern dieser Volkshochschulen versucht wird, jene Grenze zu übertreten, die den Dilettantismus von der Kunst trennt; einige Ausnahmen die das Unmögliche erreichen wollen, wirken peinlich. Gegen einen gesunden, seiner Grenzen bewußten Dilettantismus ist nichts einzuwenden; er kann sogar recht nützlich sein.

Ln der kleinen und ausgezeichnet arrangierten Ausstellung der rührigen Buchhandlung .Kosmos“ in der Wollzeile, „Zeichnen — vom Kinde aus", begegnet man noch einmal Produktionen der Kinderkunst, Daß es sich hiebei nicht um die Leistungen einzelner besonders begabter Kinder, sondern um Klassenleisüungen handelt, die in einem den Schülern Freiheit gewährenden Zeichenunterricht erzielt wurden, macht die Sache besonders interessant. Man erkennt nämlich, wie sehr einander die Vorstellungen ähneln, von denen diese kleinen Menschen ausgehen — es ist, als ob jeder von ihnen schon von Anfang an die Zeichen aller Dinge m sich trüge; und es wird wieder einmal klar, daß, je des Kind zu solchen Produktionen begabt ist die den aufmerksamen Betrachter in Staunen versetzen. Beides gewiß merkwürdige Beobachtungen, die zum Nachdenken reizen.

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