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Palace of Westminster

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Zu den Nebenzielen der NS-Krieg-führung gehörte die Zerstörung jenes ausgedehnten Gebäudekomplexes, das, nebst dem englischen Ober- und Unterhaus, Krypten, Bibliotheken, Kapellen, Klubräume und die Abstimmung?-„Lob-bies“ umschließt. Insgesamt 17 Angriffe wurden auf dieses Einzelobjekt angesetzt. September 1940 wurde die Sankt-Stephans-Kapelle durch eine Brisanzbombe beschädigt. Dezember desselben Jahres entstand neuer Schaden, doch erst am 10. Mai 1941 machte man den ernstlichen Versuch, die Zitadelle westlicher Demokratie auszulöschen. In zwölf Wellen wurde das Objekt angeflogen und von zahlreichen Spreng- und Brandbomben getroffen. Flammen und Rauch hüllten das Gebäude ein, und es wurde klar, daß man nicht alles retten konnte.

Sollte man das Unterhaus der .Commons“ opfern oder retten, oder war es wichtiger, .Westminster Hall“ künftigen Geschlechtern zu erhalten? Die Entscheidung, die sicherlich von der Regierung getroffen wurde, wenn sie auch nominell wohl dem König zugestanden wäre, da der Gebäudekomplex noch immer zu den „königlichen Palästen“ zählt, war eine Entscheidung von Pietät; der Prestigestandpunkt, das Politische trat zurück. Die frühmittelalterliche „Westminster Hall“ mit ihrem gotischen Stichbalkendach, in der Charles I. zum Tode verurteilt wurde und Warren Ha-stings, einst allmächtiger Geheralgouver-neur von' Indien, nach sieben bitteren Prozeßjahren seinen Freispruch vernahm, erhielt den Vorzug, sie wurde bewahrt.

Wer sie zum erstenmal betritt, fühlt sich zunächst von jener seltsamen Leere befremdet; es ist einem, als sei man in einen gotischen Wartesaal der Ewigkeit getreten. Doch nach einer Weile scheinen sich Formen und Proportionen zu eigenartigem Leben zu verdichten. Die den Riesenraum ohne eine einzige Stütze überwölbende Decke scheint über einen hinweg in die Ferne zu ziehen, die Begriffe von Zeit und Raum verwirren sich auf seltsame Art und Weise.

Nachdem man das Gebäude von den flammen gerettet hatte, wurde es bald von einer neuen Gefahr bedroht. Der Totenuhrwurm war ins Holz gekommen, das nun Stück um Stück erneuert werden mußte. Man konnte hiebei die benötigten Eichen aus jenen Wäldern entnehmen, aus denen vor mehreren hundert Jahren Richard II. das Holz bezogen hatte, Wälder, dje hoch immer im Besitz derselben Familie sind. Eine seltene Kontinuität großer Spannweite, die bei der gegenwärtigen Steuerpraxis — mit der nicht die Sozialisten, sondern Lloyd George begonnen hat — höchstens noch eine oder die andere Generation überdauern kann.

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