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Preußischer Gelehrter zwischen Ost und West

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Daß in einem Menschenleben, und währte es bisher 90 Jahre, so viel und so vielerlei Platz hat, ist kaum zu begreifen. Manfred von Ardenne ist der Enkel jener Frau, deren Schicksal Theodor Fontane in seinem Boman „Effi Briest" gestaltet hat. Er heiratete 1938 eine Enkelin des „Alt-Heidelberg"-Dichters Wilhelm Meyer-Förster und Nichte des Dichters Werner Bergengruen. In der Physik und in der Technik hat er unzählige Erfindungen gemacht, er war an der Entwicklung des Fernsehens in Deutschland beteiligt sowie an den Forschungen zur Kernspaltung.

Schon mit 65 hat er in der DDB seine Memoiren veröffentlicht. Das Buch, das nun zu seinem Neunzigsten erschien, entspricht seiner schillernden Persönlichkeit, die weder Wissenschaftler noch Politiker unbeeindruckt ließ. Es ist nämlich eine Aufreihung der Begegnungen mit der Prominenz unseres Jahrhunderts. Das reicht in der Politik von Ludendorff bis Helmut Schmidt, von Hitler bis Ho Chi-minh, stellt allerdings vorwiegend Gelehrte vor: ein Spaziergang durch die Forschung des Jahrhunderts — in kleinen Dosen.

1945 holten die Sowjets Ardenne aus Berlin nach Bußland, wo er an der Entwicklung der sowjetischen Atombombe mitwirkte - aber nicht so zentral, daß er als „Geheimnisträger" lebenslang festgehalten worden wäre. Er mußte sodann in der DDR leben, hatte aber viele Möglichkeiten, mit Fachkollegen im Westen Gedanken auszutauschen. Berühmt machten ihn vor allem seine neuen Methoden zur Bekämpfung von Herz-Kreislaufund Krebs-Erkrankungen. Er konnte neben der Lehrtätigkeit an der Technischen Universität Dresden sein eigenes Forschungsinstitut fast wie ein Privatunternehmen führen, war zeitweilig Abgeordneter der DDB-Volks-kammer in der Kulturbund-Fraktion, hielt aber auch Kontakt zu seinem Vetter Wolf Graf Baudissin, der in Bonn die Bundeswehr aufbaute.

Wer fleißig sucht, kann in diesem langen und erfüllten Leben sicher unklare Punkte finden. Eine gewisse Anpassung an das jeweilige Begime wird ihm nicht erspart geblieben sein. Aber wie schon in seinem Memoirenbuch von 1972 liegt dieser Lebensweg eigentlich recht offen vor dem Leser. Vom Vetter Baudissin hat er sich kurz vor dessen Tod den größten Zweifel nehmen lassen: „Ja, du hast richtig gehandelt, denn das Gleichgewicht des Atomwaffen-Potentials zwischen Ost und West hat den nuklearen Frieden erhalten."

MANFRED VON ARDENNE: ICH BIN IHNEN BEGEGNET

Wegweiser der Wissenschaft Pioniere der Technik - Kopfe der Politik. Unter Mitar beit von Manfred Lotsch, Verlag Droste, Düsseldorf1996, 344Seiten, geh, öS389,-

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