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Unter Vorspiegelung falscher

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Daß er sich an nichts beteiü-gen und für nichts engagieren wollte, daß er ein Weltmeister im Sichheraushalten war, das hatte er seit jeher als seinen edelsten Zug angesehen. Und weil er sich verbessern wollte, war es mit den Jahren schlimmer geworden, fast schon wußte er nicht länger, auf welchem Planeten er zu Hause war. Bis ihm aufging, daß er stets nur träge gewesen war, oder genauer gesagt: faul.

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Daß er sich an nichts beteiü-gen und für nichts engagieren wollte, daß er ein Weltmeister im Sichheraushalten war, das hatte er seit jeher als seinen edelsten Zug angesehen. Und weil er sich verbessern wollte, war es mit den Jahren schlimmer geworden, fast schon wußte er nicht länger, auf welchem Planeten er zu Hause war. Bis ihm aufging, daß er stets nur träge gewesen war, oder genauer gesagt: faul.

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Er hatte nichts Gutes damit geleistet, indem er sich für alles, das einen anging, zu kostbar gehalten hatte. Er war ein Parasit geworden, an den anderen und an seinen eigenen Erwartungen, derm einmal, es lag lange zurück, hatte er doch aus sich etwas machen wollen.

Warum nur war ihm jener Anspruch, einzugreifen und zu verändern, so gründhch entfallen gewesen, dalÄr hier, auf dieser Terrasse, wo er gestern bis in die späte Nacht mit dem erfolgreichen Kollegen gesprochen hatte, auf einmal aus allen Wolken gestürzt war: in der Erkenntnis, daß er längst kein Recht mehr hatte, mit diesem Arbeitsamen im Namen einer Gemeinsamkeit, sei es der des Geistes oder des Schreibens oder des Leidens an der Gegenwart, verbunden am selben Tisch zu sitzen.

BUCK IN DIE VERGANGENHEIT

Er, der in diesem Hause noch willkommen war, wußte nur zu gut, daß er ein Eindringhng war, einer, der unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier angereist kam, und doch längst das Feld -welches Feld auch immer - verlassen hatte. Einer, der nicht einmal auf einstmals Geleistetes, auf ein Werk oder eine Vergangenheit hinweisen koimte, so einer durfte auf dieser Terrasse gar nicht sitzen.

Er hatte es plötzhch mit solcher Schärfe gewußt, daß er vermeinte, sich geschnitten zu haben und bluten zu müssen, aber natürhch ahnte er auch, daß jede Einsicht ein Kind der Minute war, imd daß er wieder einmal nichts daraus lernen würde. Er hatte auch das Lernen verlernt, imd er fürchtete an jedem Abend den Morgen, der neu und leer folgen würde, und an dem wieder nichts geschehen sollte, was dringlich war.

Er machte sich auch kaum noch die Illusionen großer Vorsätze, er mahnte sich nicht länger ab, trank nur seinen Wein und umarmte seine jungen Körper und murmelte zu sich selber, so sei es eben, es sei eben so.

Aber an diesem Morgen, an dem er allein auf dieselbe Terrasse seiner nächtlichen Erleuchtung zu sitzen kommt, - er ist später «Is seine Gastgeber aufgewacht und diese, des Wartens irgend-watm ungeduldig, hatten das Haus verlassen und ihm sein

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