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Eine ORF-Interviewserie ist auch in Buchform erhältlich: "Ausgesprochen österreichisch".

Wenn alle Gesprächspartner sich wie Heinz Fischer dem freien Assoziieren zum Stichwort "Ausgesprochen österreichisch" hingegeben hätten, wäre eine tolle Melange zustandegekommen: die Fahne, Österreichs Geschichte, der Musikvereinssaal, die Alpen, das "Leben und Lebenlassen", die Sozialgemeinschaft fielen dem Bundespräsidenten spontan ein. Und dann natürlich auch das vielleicht Wichtigste, gerade weil es so oft bestritten wird: dass Österreich nach 1945 aus der jüngeren Geschichte richtige Lehren gezogen hat - mit Sozialpartnerschaft und Großer Koalition.

Der bekannte ORF-Journalist und nunmehrige Salzburger Landesdirektor Hubert Nowak hat im Gedankenjahr 2005 eine ORF-Interviewserie mit neun namhaften Zeitgenossen beiderlei Geschlechts veranstaltet und nunmehr in Buchform herausgegeben, die aus ihrem Politiker-oder Künstler-oder Medienleben erzählten und irgendwie ein bisschen nebenbei auf ihr Österreich-Bild abgeklopft wurden. Beispiele für Opportunismus fielen Louise Martini ein, die Eigenproduktionen des ORF Monika Lindner und Hannes Androsch kleine und mittelständische Firmen, die sich auf Auslandsmärkten bewähren. Manche der Befragten repräsentieren schon in ihrer persönlichen Geschichte österreichische Wesensmerkmale: vielschichtige Herkunft (Otto Schenk: "Ich habe keinen Tropfen deutschen Blutes") oder vielseitige Begabung (Wilhelm Holzbauer: Architekt, Designer, Feinschmecker).

Die verschiedenen Fragesteller umkreisten kritisch immer wieder auch den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit, sodass einmal sogar der irrige Eindruck entstehen konnte, Österreich habe vor Gründung des Nationalfonds 1995 überhaupt nichts für NS-Opfer getan. Solche Fragen förderten aber auch kluge Antworten unverdächtiger Zeitzeugen zutage: etwa den Hinweis von Bundespräsident Fischer, dass "die klare Unterscheidung, die wir heute rückwirkend verlangen, da die Guten und dort die Schlechten, damals fast nicht möglich war". Oder sein einstiger deutscher Amtskollege Richard von Weizsäcker, der Österreich zu einem weniger ideologisch aufgeladenen, gelasseneren Umgang mit der Neutralität und zu couragierter Vermittlertätigkeit auf dem Balkan rät. (Auch zu weniger Gleichgültigkeit in der Rechtschreibreform.)

Klug und dezent

Wie Weizsäcker als einziger Nichtösterreicher in die Befragtenliste geraten ist, wird nicht ganz klar. Aber dass die zwei spannendsten Antwortgeber dorthin gehören, erschließt sich spätestens beim Lesen rasch: Heinz Nußbaumer und Fritz Molden. Nie noch hat in einem öffentlichen Bekenntnis der Publizist und Berater hochgestellter Personen in Politik und Kirche den reichen Schatz seiner Erfahrungen mit Königen und Präsidenten, Religions-und Revolutionsführern in aller Welt so fesselnd, so klug und doch auch so dezent ausgebreitet wie Nußbaumer. Er bedauert, dass sich Österreich seit seinem EU-Beitritt stark auf Südosteuropa zu Lasten der arabisch-islamischen Welt konzentriere, verteidigt Waldheim und erklärt Klestil mit guten Argumenten und plädiert für die Wiederherstellung von "Grundvertrauen" in Österreich.

Fritz Molden berührt, wenn er als anerkannter Widerständler gegen das NS-Unrechtsregime seine persönliche Bilanz Österreichs nach 1945 als "extrem positiv" angibt und den Kopf darüber schüttelt, dass alle bei Kriegsende gefunden hätten, "dass es uns herrlich geht; jetzt im Jahr 2005 geht's uns wirklich herrlich, aber wir finden, es geht uns miserabel." Er entkleidet seine Bekämpfung Hitlers jeglicher Heldenhaftigkeit und anerkennt Julius Raab als großen Bundeskanzler, auch wenn dieser gesagt hat: "Den Molden zerdruck' ma wia a Wanzn, des is a Liberaler!" Umso besseren Gewissens kann man sich dann mit ihm auf einen zeitgemäßen Patriotismus einlassen, bei dem "man sich nicht ständig darüber lustig macht, wenn ein Österreicher sagt, das ist ein ordentliches Land, und wenn nicht im Festspielhaus gelacht wird, wenn Grillparzers berühmter Österreich-Satz fällt".

AUSGESPROCHEN ÖSTERREICHISCH

Hg. von Hubert Nowak

Residenz-Verlag im NÖ Pressehaus, St. Pölten 2005

208 Seiten, kart., e 17,90

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