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Heinrich Hollreiser dirigiert

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Es gibt Dirigenten, die jähre- und jahrzehntelang mit einem (höchstens zwei) Dutzend Symphonien reisen und damit ihr Auslangen finden. Kein Wunder, daß sie Mhren Brahms“ oder „ihren Tschai-kowsky“ bis ins Detail beherrschen, kein Wunder auch, daß sie es bald zu Ruhm und Ansehen bringen. Denn das Publikum hört diese Meisterwerke immer wieder gern, das Aufführungsmaterial liegt überall eingerichtet bereit, und die großen Orchester sind damit vertraut. Andere machen sich's schwerer — oder man macht es ihnen schwerer. Oft hat ein Dirigent dieses andern Typs nur wenige Wochen, ja nur einige Tage Zeit, ein neues kompliziertes Werk zu studieren. Und er muß es so genau beherrschen, daß er bei der Aufführung die Partitur im Kopf und nicht den Kopf in der Partitur hat. Diese enorme Leistung wird oft zu wenig bedankt und gewürdigt. Ja, man wundert sich dann noch gelegentlich, daß der betreffende Dirigent „auch“ klassische und romantische Musik interpretieren kann ...

Heinrich Hollreiser braucht diese Bestätigung längst nicht mehr. Im Theater an der Wien leitete er eine Aufführung des „T r i s t a n“, die — von der hervorragenden Besetzung abgesehen (— auch musikalisch eine der eindrucksvollsten war, die man seit langem gehört hat. Die junge Schwedin Birgit N i 1 s s o n, eine königliche Erscheinung, war auch stimmlich eine ideale Isolde und bereicherte ihre Partie durch zahlreiche sehr persönliche und modern empfundene Züge. In nur geringem Abstand standen ihr Rudolf Lustig als Tristan, Oskar Czerwenka als König Marke und Margarethe Klose als Brangäne zur Seite. Karl Kammans Spiel litt an der arg vernachlässigten Regie, die einer gründlichen Erneuerung bedarf, desgleichen das antiquierte und unoriginelle Bühnenbild. Es war ein festlicher Opernabend und ein großer Erfolg für alle Mitwirkenden, nicht zuletzt für das prachtvoll musizierende Orchester.

Die denkbar größten Gegensätze standen im Programm des Kammerorchesters der Konzerthausgesellschaft nebeneinander: ein neues Violinkonzert von J. N. David, vom Sohn des Meisters, Lucas David, mit hoher Musikalität und Bravoür interpretiert, und Strawinskys „Danses concer-tantes“ aus dem Jahre 1942. David macht es in diesem in jedem Takt interessanten und originellen (übrigens mit einer Zwölftonreihe beginnenden) Werk seinen Hörern noch schwerer als sonst. Es ist ein typisches Stück, das man mehrmals zu hören wünscht. Hoffentlich haben wir bald Gelegenheit dazu. Strawinskys „Danses“ zeigen in jedem Satz den Meister der trockenen Eleganz und des gestischen Rhythmus. Hier bewährte sich Hollreiser als glänzender Schlagtechniker, während man bei der Interpretation einer „Chaconne“ von Purcell und in den „Symphonischen Variationen“ von Cesar Franck (Solist Ivo Macek) den subtilen klanglichen Gestalter bewundern konnte. David Vater und Sohn wurden lebhaft gefeiert, desgleichen Strawinskys Ballettsuite.

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