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Ost-westliche Begegnung

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In der eigenständigen japanischen Musik, die auf halbtonfreie Pentatonik gegründet ist und die sich sowohl durch feines Formempfinden als auch durch den Kontrast von geballter Kraft und zartester Lyrik auszeichnet: in dieser Volksmusik sind schon die Elemente enthalten für die zeitgenössische japanische Musik. Es ist angesichts der historischen Entwicklung — altes Volksgut, versetzt mit Einflüssen der europäischen Musik, die gefördert wird durch die Wirksamkeit ausländischer Pädagogen, durch das Studium an ausländischen Schulen (auch in Wien studieren Japaner) und durch die ziemlich regen Beziehungen zwischen dem fernen Inselreich und dem Abendland — kein Wunder, daß beide Richtungen festzustellen sind: Eigenständiges und Angeeignetes. Yuzo Toy-ama aus Tokio, Jahrgang 1931, hat mit seiner einsätzigen, dreiteiligen „Rhapsodie für Orr ehester“ (vollendet Juli 1960) eine Synthese, eine ost-westliche Begegnung geliefert. Die Ecksätze zeichnen sich durch Vitalität und Rhythmus aus, wobei Blech und Schlagwerk bei massivem Einsatz dominieren; im Mittelteil kann das europäische Ohr den Impressionen fernöstlicher Landschaft nachgehen. Das etwa acht Minuten dauernde Werk hat im Großen Musikvereinssaal am Beginn des ersten Konzerts des Nippon-Hoso-Kyokai- Orchesters aus Tokio beim Publikum des ausverkauften Saales ungewöhnlich starken Beifall erhalten. Das gleiche Stück wurde daher nicht zu Unrecht als Zugabe an den Schluß des zweiten Konzerts im gleichen Saal am darauffolgenden Abend gesetzt. '

Die andere Seite der musikalischen Entwicklung kennzeichnet Toshiro M a y a z u m i mit seiner „Mandala-Symphonie“ (Juni 1960 vollendet). Mayazumi ist zwei Jahre älter als Toyama, stammt aus Yokohama und hat außer in Paris auch in Deutschland (Kurse zeitgenössischer Musik in Darmstadt) studiert. Die achtzehn Minuten dauernde Symphonie soll eine musikalische Nachzeichnung buddhistischer Philosophie sein, auf einer eigens entwickelten Zehntonreihe beruht das zuweilen aphoristisch anmutende Gedankengut des harmonisch interessanten, formal geschickt aufgebauten Stückes.

Die europäische Musik war mit Werken von Brahms (1. Symphonie), Haydn (Cellokonzert, op. 101), Rachmaninoff (2. Klavierkonzert) und Tschaikowsky (5. Symphonie) vertreten. Der sehr temperamentvolle Dirigent Hiroyuki I w a k i, überaus klar, trotz didaktischer Zeichengebung wirkend, hat den Werken seiner Landsleute und jenen der Fremden eine gute Aufnahme gesichert. Takahiro S o n o d a, Solist des Klavierkonzerts, ist bei uns bereits bekannt: ein technisch versierter, der Intuition zuweilen stark nachgebender, in den lyrischen Bereichen sich durchsetzender Pianist. Tsuyoshi T s u- | tsumi besitzt leidenschaftliches Naturell, die Tongäbe des Cellos war wohldimensioniert. Das Orchester selbst, ein umfangreicher Klangkörper (zehn Kontrabässe bei Tschaikowsky) zeigte bedeutende Homogenität in den Streichern und überaus zarte und transparente Holzbläser. Das Blech und das Schlagwerk triumphierten mit Präzision. Die Zuhörer bereiteten den auf einer Europa- und Asientournee befindlichen Gästen einen beifallsstarken Empfang und einen an Ovationen grenzenden Abschiedsgruß.

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