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Zwei Welten

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Mit einer wohlgelungenen Aufführung von Ariostos „Orlando Furioso“, die von vielen als das bedeutendste Ereignis des italienischen Theaters seit zwanzig Jahren beurteilt wurde, hat das diesjährige, auch das Sprechtheater ausgiebig berücksichtigende „Festival zweier Welten“ in Spoleto sein Ende gefunden. Ein stürmisches Ende, denn ein Teil des gar zu zahlreichen Publikums, das mangels Platzraums in der Kirche San Nicolo, in welcher die Aufführung des großen Werkes inszeniert worden war, keinen Einlaß gefunden hatte, machte erfolglosen „Krach“. Es war das zweite Mal während dieses ereignisreichen Festes, daß es nur zu sehr getrübtem Genuß eines sorgfältig vorbereiteten Meisterwerkes kam: kurz vorhei hatte die Rossini-Oper „L'Italiana in Algeri“ zu einer ungünstigen Beurteilung der mit zuviel Experimenten gespickten Meisteroper geführt.

Der an sich vorzüglichen Regie und Besetzung wurden zum angeblich besseren Verständnis des dramatischen Geschehens recht überflüssige gesprochene Vor- und Nachspiele zugefügt, die nicht dazupaßten; ebenso sonderbare Regieeinfälle, wie die modernen Frackanzüge und die Zylinder der Männerchöre am Hofe Mustafas. Doch.,gefiel, die. .reizende Musik, vyprzgn,ch jftföfet vp&.Spqle-tos „Leibdirigent“.

„Leibdirigent“ ist hier der jugendliche Thomas Schippers, der als Menottis „Alter Ego“ allmählich in die Rolle von Spoletos führender Musikpersönlichkeit hineingewachsen ist, dem die wichtigsten Musikereignisse anvertraut werden. So auch die höchst repräsentativen Schlußkonzerte des Festes, wie solche stets am letzten Abend auf dem herrlichen Domplatz unübersehbaren Scharen begeisterter Zuhörer geboten werden. Diesmal erklang als besonders feierlicher Abschluß der Reihe die „Neunte“ unter Mitwirkung des Orchesters des Triestiner Verdi-Theaters; obgleich die begeistert aufgenommene Wiedergabe nicht alle Bedenken gegen „Freiluftfeiern“ Beethovens zu zerstreuen vermochten, ernteten die Ausführenden Beifallsstürme, die geradezu die alten Mauern des Domes erschüttern zu wollen schienen.

Auf die Entwicklung „seines“ Festivals kann Giancarlo Menotti füglich stolz sein: in dem nunmehr zwölften Jahre des Bestehens ist „Spoleto“ zu einem festen Begriff der allgemeinen westlichen Musikwelt geworden. Bis zum elften Jahre hat es der Gründer streng vermieden, auch nur einen einzigen Takt seiner eigenen Schöpfungen bei diesen Gelegenheiten erklingen zu lassen. Endlieh hat er voriges Jahr mit der glänzend vorbereiteten Aufführung seines „The Soint of Bleecker Street“ solcher selbstauferlegten Klausur ein Ende gemacht, so daß auch diesmal eine seiner Opern, „Das Medium“, auf dem Spielplan erschien. Die Leitung des kurzen, nicht neuen, eminent bühnenwirksamen Werkes, das, seit seiner New Yorker Uraufführung im Jahre 1946 oft gehört, nichts von seinem Reiz verloren hat, war diesmal dem blutjungen, kaum seinen Konservatoriumsstudien entwachsenen Bruno Campanella überlassen worden, der nach solchem Vertrauensvotum Menottis nunmehr sicherlich seinen erfolreichen Weg beschreiten wird. Der Sechsund-dreißigjährige, dessen Debüt auch der Einakter De Folios „El Retablo“ vorangeschickt worden war, verließ glückstrahlend das Podium.

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